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Massiver Betrug bei Integrationskursen: Wer betrügt wen?

Mir, als Lehrer in Integrationskursen, fällt es schwer, die öffentliche Empörung über massiven Betrug mit Teilnehmerzahlen und Prüfungsergebnisse zu teilen. Ich kenne den Sektor zu gut, um nicht sofort zu verstehen, dass in ihm ein Unternehmer
nur dann Aussicht hat, überhaupt etwas Geld zu verdienen, wenn er sich auf solche und ähnliche hässliche Praktiken verlegt wie die, derentwegen jetzt die Polizei in Dortmund ermittelt. Es ist so logisch, dass es unter den gegebenen Verhältnissen zu Missbräuchen kommen muss, dass mich höchstens wundert, erst jetzt mit einem Skandal dieses Ausmaßes konfrontiert zu werden.

Ehrliches, fachgerechtes und engagiertes Arbeiten ist bei den Integrationskursen dagegen nur möglich, wenn jemand anderes als die öffentliche Hand ausgenommen und abgezockt wird. Diese anderen sind wir. Die, wie von Amts wegen immer wieder betont wird: hochqualifizierten, vielfach geprüften und streng kontrollierten Lehrkräfte. Die Bundesregierung finanziert die Kurse derart kümmerlich, dass ihr laufender Betrieb einen kontinuierlichen Raubzug gegen uns, die in ihnen beschäftigten Fachkräfte darstellt. Seit 2005. Auf unsere Kosten schmücken sich die Verantwortlichen mit ihrer Integrationspolitik. Ebenfalls seit 2005. Wir haben sie seitdem weitgehend bezahlt und bezahlen sie weiter. Mit Einkommen, die zum Leben nicht reichen, und, todsicher, mit bitterer Armut im Alter. Der eigentliche Skandal sind deshalb nicht die jüngst entdeckten Betrugsfälle. Der eigentliche Skandal bei den Integrationskursen ist ihre Unterfinanzierung.

Würde die Bundesregierung die Integrationskurse endlich so ausstatten, dass in diesem Sektor Anbieter auch dann kostendeckend arbeiten könnten, wenn sie ihre Mitarbeiter ihrer Qualifikation und Leistung angemessen bezahlten, würden Betrugsfälle wie der neuste wahrscheinlich rasch zu einer Marginalie werden. Außerdem könnte die Regierung darüber endlich auch die fachgerechte Förderung aller einzelnen Teilnehmer sicherstellen, sodass niemand, der ein Sprachzertifikat braucht, sich dieses kaufen muss. Solange aber die Regierung an der Unterfinanzierung der Kurse nichts ändert, können wir nur mit Achseln zucken, wenn ihr Integrationsprojekt schamlos abgezockt und ausgenommen wird. Die gleiche Regierung geht nicht weniger schamlos mit uns Lehrkräften um. Sie demonstriert, an uns, jeden Tag, dass ihr die Integration gerad so egal ist wie den Betrügern von Dortmund.

Karl Kirsch unterrichtet Deutsch als Zweitpsrache in Magdeburg, engagiert sich bei ver.di für die Belange der Solo-Selbstständigen und arbeitet im Sprecherrat des DaZ-Netzwerks mit.


Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung durch den Autor Karl Kirsch.

Erstmals veröffentlicht in MiGAZIN. Dort gibt es inzischen auch mehrere Kommentare zum Artikel.

Hier geht es zu einem Hintergrundbericht aus der WAZ.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Honorar, Freiberufler/Selbstständige, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 11.02.2012

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024