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Bundesregierung stellt klar: Das geht uns nichts an!

Zur Situation von Honorarlehrkräften in Deutschland

Vorbemerkung der Fragesteller

Honorarlehrkräfte arbeiten an Hochschulen, an Volkshochschulen, privaten Sprachschulen, Goethe-Instituten sowie an anderen Einrichtungen. Sehr häufig arbeiten sie im öffentlichen Auftrag. Trotz ihrer gesellschaftlich wichtigen und wertvollen Arbeit befinden sich Honorarlehrkräfte nicht selten in einer prekären Situation. Die Höhe der Honorare ist nicht annähernd mit der Bezahlung von fest angestellten Lehrkräften mit ähnlicher Qualifikation und Tätigkeit vergleichbar. Die jüngsten Auseinandersetzungen um Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung bei den Goethe-Instituten zeigen, wie unsicher der sozialrechtliche Status von Honorarlehrkräften mitunter ist. Eine mögliche Honorarausfallzahlung bei Krankheit ist genauso unwahrscheinlich wie die Zahlung von Urlaubsgeld. Bei Fragen der Sozialversicherung sieht es nicht viel besser aus. Die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge sowie die Tatsache, dass Selbständige die Beiträge oft alleine schultern müssen, haben unter anderem dazu geführt, dass einige Honorarlehrkräfte hohe Beitragsschulden bei der gesetzlichen Renten- bzw. Krankenversicherung aufgebaut haben. Für andere bleibt nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge, Betriebskosten und Steuern ein – gemessen am Qualifikationsniveau – bescheidenes Nettoeinkommen übrig. Eine gesetzliche Rente oberhalb der Grundsicherung wird trotz langjähriger Beitragszahlung in Vollzeit nur in den seltensten Fällen erreicht.

Nach Ansicht der Fragesteller muss die Situation der Honorarlehrkräfte an vielen Stellen umfassend verbessert werden. Neben der Prüfung, wie Lehrkräfte häufiger fest angestellt werden können, bedarf es eindeutiger Abgrenzungskriterien zwischen abhängiger Beschäftigung und freiwilliger Selbständigkeit. Handelt es sich eindeutig um eine selbständige Tätigkeit, so muss diese angemessen bezahlt werden. Mit Blick auf die soziale Absicherung von Selbständigen müssen ein Schuldenschnitt erwogen, die Mindestbeiträge zur Krankenversicherung gesenkt, alle nicht anderweitig abgesicherten Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen und die Beitragszahlung weiter flexibilisiert werden. Neben der paritätischen Beitragstragung durch Auftraggeber und Auftragnehmer bedarf es der Einführung einer steuerfinanzierten Garantierente, die langjährig Versicherten mit 30 Versicherungsjahren eine Rente oberhalb der Grundsicherung garantiert.


Vorbemerkung der Bundesregierung

Bei den angesprochenen „Honorarlehrkräften“ handelt es sich um keine sozialversicherungsrechtliche Kategorie, sondern um einen zwar weithin gebräuchlichen, aber rechtlich unerheblichen Begriff für Lehrkräfte, die nach Vorstellung der Beteiligten als Selbständige unterrichten. Ob es sich hierbei tatsächlich um eine selbständige Tätigkeit oder aber um eine abhängige Beschäftigung handelt, entscheidet der zuständige Träger der Sozialversicherung im Einzelfall auf der Grundlage der gesetzlichen Abgrenzungskriterien und der durch die Rechtsprechung vorgenommenen Konkretisierungen. Durch eine Statusanfrage bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund kann bei Aufnahme der Tätigkeit der Status verbindlich geklärt werden.

Bei Lehrenden, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin oder keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, besteht die Besonderheit, dass sie auch als Selbständige bereits nach geltendem Recht der Rentenversicherungspflicht unterliegen.


Frage 1: Wie viele Honorarlehrkräfte gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland (bitte nach Männern und Frauen getrennt ausweisen)?

Wie viele davon sind an Volkshochschulen und Musikschulen beschäftigt?


Der Bereich der allgemeinen Weiterbildung liegt in der Zuständigkeit der Länder. Es ist der Bundesregierung daher weder bekannt, wie viele von den Vertragsparteien als Honorarlehrkräfte bezeichnete Lehrerinnen und Lehrer es insgesamt gibt, noch wie und in welchem Umfang sogenannte Honorarlehrkräfte in Volkshochschulen und Musikschulen eingesetzt werden.


Frage 2: Wie beurteilt die Bundesregierung das Schutzniveau von arbeitnehmerähnlichen Personen, und dass das Kündigungsschutzgesetz, die Sonderkündigungsbestimmungen des Mutterschutzgesetzes sowie des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht auf diese Personengruppe angewendet werden?

Arbeitnehmerähnliche Personen sind rechtlich selbständig tätig, jedoch wirtschaftlich abhängig und in bestimmten Bereichen einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig. Daher sind auf sie nur bestimmte arbeitsrechtliche Vorschriften anzuwenden. Das Kündigungsschutzgesetz und grundsätzlich auch alle Sonderkündigungsschutzbestimmungen (insbes. §§ 85 ff. des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – SGB IX) sind hingegen nur auf Arbeitnehmer anwendbar, sodass arbeitnehmerähnliche Personen davon nicht erfasst werden.

Mit dem am 1. Januar 2018 in Kraft tretenden Mutterschutzgesetz (BGBl. [2017] I S. 1228 ff.) werden schwangere und stillende Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen sind, nun ausdrücklich in den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen. Das Mutterschutzgesetz sieht auch einen Sonderkündigungsschutz vor. Die ausdrückliche Einbeziehung der arbeitnehmerähnlichen Personen in den Anwendungsbereich dient der Rechtssicherheit im Vollzug. In der Vollzugspraxis der Aufsichtsbehörden wird nämlich bereits bisher über § 4 Nummer 6 Arbeitsschutzgesetz, nach dem der Arbeitgeber spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigungsgruppen berücksichtigen muss, die Einhaltung der mutterschutzrechtlichen Vorschriften für schwangere und stillende arbeitnehmerähnliche Personen überprüft.


Frage 3a: Wie hoch sind die Nachzahlungsverpflichtungen von Selbständigen bei der gesetzlichen Rentenversicherung?

Die Statistik der Rentenversicherung über Beitragsrückstände unmittelbar zu zahlender Beiträge (Beitragsrückstandsstatistik) nach § 9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Statistik in der Rentenversicherung weist für das Berichtsjahr 2016 folgende Beitragsrückstände aus (bezogen auf versicherungspflichtige Selbständige nach § 2 Satz 1 Nummern 1 bis 3, Nummern 7 bis 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und § 4 Absatz 2 SGB VI):

Bestand Beitragsrückstände am 31.12.2016: 296.757.058,53 Euro
darin
im Bestand enthaltene unbefristete Niederschlagungen: 23.561.222,63 Euro
im Bestand enthaltene befristete Niederschlagungen: 108.222.256,58 Euro
im Berichtsjahr erlassene Forderungen: 115.228,17 Euro
im Berichtsjahr ausgebuchte Forderungen bei Insolvenzverfahren: 7.987.010,74 Euro

Der Bestand an Beitragsrückständen belief sich Ende 2016 auf knapp 300 Mio. Euro. Darin enthalten sind neben gestundeten Beiträgen u. a. auch rund 132 Mio. Euro an befristet und unbefristet niedergeschlagenen Beiträgen. Bei einer Beitragsniederschlagung wird von der Weiterverfolgung eines fälligen Anspruchs entweder vorläufig (befristete Niederschlagung) oder endgültig (unbefristete Niederschlagung) abgesehen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen. Die Forderung ist wieder geltend zu machen, wenn die Möglichkeit der Einziehung der Forderung erkennbar wird.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Beitragsrückstände bei vielen Selbständigen nicht allein aus einer begrenzten Zahlungsfähigkeit resultieren, sondern zum Teil vielschichtige weitere Ursachen haben. Zu nennen sind hier insbesondere die Meldeversäumnisse der betreffenden Selbständigen nach § 190a Absatz 1 SGB VI. Das kann bei rückwirkender Feststellung von Versicherungs- und Beitragspflicht unabhängig von der individuellen finanziellen Belastbarkeit und Zahlungstreue bereits zu hohen Beitragsrückständen führen.


Frage 3b: Wie häufig, in welchem Umfang und unter welchen Umständen ermöglicht die gesetzliche Rentenversicherung eine Abzahlung der Beitragsschulden in Raten?

Die Versicherungsträger haben Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Sie können ihre Ansprüche gegenüber Selbständigen stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Selbständigen verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Zudem soll die Stundung gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden (§ 76 Absatz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch).

Eine erhebliche Härte wird von den Rentenversicherungsträgern insbesondere dann angenommen, wenn der Selbständige nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, den Anspruch sofort zu begleichen und eine Zwangsvollstreckung den Selbständigen in eine wirtschaftliche Notlage brächte oder aus anderen Gründen unbillig wäre. Dabei sind die Gesamtumstände, zum Beispiel die Entstehung des Anspruchs, das Verhalten des Selbständigen bei und nach Feststellung der Beitragsrückstände sowie der Zahlungswille angemessen zu berücksichtigen.

Stundungen werden von den Rentenversicherungsträgern auf Antrag der Selbständigen und im Regelfall in Form regelmäßiger Ratenzahlungen gewährt. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Stundung mit Ratenzahlung werden im Rahmen des Ermessens geprüft. Für die Entscheidung über den Stundungsantrag ist die vollständige Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse (Einkommens- und Vermögensverhältnisse) unter Mitwirkung des Selbständigen erforderlich. Neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung einer Stundung beziehen die Rentenversicherungsträger u. a. folgende Gesichtspunkte in ihre Entscheidung über einen Stundungsantrag ein:
  • Gegebenenfalls laufend (monatlich) fällige Pflichtbeiträge werden pünktlich gezahlt, so dass die Gesamtforderung nicht weiter ansteigt.

  • Die Gesamtforderung kann innerhalb eines angemessenen Stundungszeitraums durch Ratenzahlung (ggf. zusätzlich zu den laufenden Pflichtbeiträgen) getilgt werden.

Als angemessener Stundungszeitraum gilt grundsätzlich ein Zeitraum von längstens drei Jahren. In Ausnahmefällen, zum Beispiel bei sehr hohen zu stundenden Forderungen, können auch längere Ratenzahlungszeiträume vorgesehen werden. In diesen Fällen werden jedoch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Selbständigen regelmäßig überprüft und die Ratenhöhe gegebenenfalls angepasst.

Die Stundung soll gegen angemessene Verzinsung gewährt werden. Die Erhebung von (angemessenen) Zinsbeträgen kann jedoch modifiziert werden oder ganz unterbleiben, wenn dies mit Rücksicht auf die Entstehung der Forderung bzw. einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand geboten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Erhebung von Zinsen die Zahlungsschwierigkeiten verschärfen würde, der Selbständige in seiner wirtschaftlichen Lage schwer geschädigt würde oder die erhebliche Härte zu einer besonderen Härte (Unbilligkeit) werden würde.

Statistische Erhebungen der Rentenversicherungsträger zur Häufigkeit und zum Umfang von Ratenzahlungen liegen nicht vor. Der Umfang der Ratenzahlungen wird – wie bereits dargestellt – stets einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der jeweiligen Gesamtumstände (Gesamtrückstandshöhe, wirtschaftliche Verhältnisse, laufende Beitragspflicht) bestimmt.


Frage 4a: Wie hoch sind die Nachzahlungsverpflichtungen von Selbstzahlerinnen und Selbstzahlern bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (wenn möglich bitte nach Art der Erwerbstätigkeit aufschlüsseln)?

Der Bundesregierung liegen hierzu keine differenzierten Daten vor. Die Statistiken des Bundesversicherungsamtes weisen die Beitragsrückstände der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Mitglieder sowie der weiteren Personengruppen, die Beiträge selbst zahlen, aus. Danach lag der Gesamtrückstand der Beitragsschulden freiwillig Versicherter im Mai 2017 bei 5,3 Mrd. Euro. Diese Informationen lassen jedoch keine weitergehende Differenzierung nach Personengruppen wie z. B. den hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen zu.


Frage 4 b: Wie häufig, in welchem Umfang und unter welchen Umständen ermöglichen die Krankenkassen eine Abzahlung der Beitragsschulden in Raten?

Der Bundesregierung liegen keine Daten zur Häufigkeit und Ausgestaltung von Vereinbarungen über die Stundung von Beitragsansprüchen durch Einräumen von Teilzahlungen vor. Auch Krankenkassen dürfen Beitragsansprüche nur unter den Voraussetzungen des § 76 Absatz 2 SGB IV stunden; insoweit wird auf die Antwort zu Frage 3b verwiesen. Die Krankenkassen entscheiden über entsprechende Anträge nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine statistische Erfassung über die im Rahmen von § 76 Absatz 2 SGB IV geschlossenen Stundungs- bzw. Ratenzahlungsvereinbarungen findet nicht statt.


Frage 5a: Zu welchen Reaktionen bei den Goethe-Instituten ist es nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung gekommen?

Im Rahmen einer aktuellen Betriebsprüfung hat die Deutsche Rentenversicherung dem Goethe-Institut mitgeteilt, dass sie den Status der Honorarlehrkräfte als freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter infrage stellt. Dabei handelt es sich um ein laufendes Verfahren, dessen Ergebnis noch offen ist.


Frage 5b: Wie haben sich die Arbeitsbedingungen der Honorarlehrkräfte nach Kenntnis der Bundesregierung verändert?

Seit Anfang Juni vergibt das Goethe-Institut Aufträge an Honorarlehrkräfte auf der Grundlage eines mit der Deutschen Rentenversicherung abgestimmten Vertragsmodells.


Frage 5 c: Zu welchem Ergebnis kam die Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung bei den Goethe-Instituten, und welche rechtlichen Implikationen sind damit verbunden?

Das Ergebnis der Betriebsprüfung steht noch aus


Frage 6: In welchen Bundesländern beteiligen sich nach Kenntnis der Bundesregierung Auftraggeber an den Sozialversicherungsbeiträgen von Honorarlehrkräften (bitte differenziert nach Volkshochschulen und Musikschulen angeben)?

Soweit Musikschulen Leistungen selbständiger Musiklehrerinnen und Musiklehrer in Anspruch nehmen, sind sie als nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) abgabepflichtige Verwerter unter den dort geregelten Voraussetzungen bundesweit über ihre Künstlersozialabgabe an der sozialen Sicherung dieser Personengruppe und darüber hinaus aller nach dem KSVG versicherten Künstlerinnen und Künstler sowie Publizistinnen und Publizisten beteiligt. Gleiches gilt für Volkshochschulen in Bezug auf selbständig tätige künstlerische Lehrkräfte. Weitergehende Informationen über eine Beteiligung von Auftraggebern an den Aufwendungen selbständig tätiger Lehrkräfte für ihre Sozialversicherungsbeiträge liegen der Bundesregierung nicht vor.


Frage 7: Inwiefern beteiligen sich die – durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beauftragten – privaten und öffentlichen Träger zur Durchführung der Integrationskurse an den Sozialversicherungsbeiträgen der Honorarlehrkräfte?

Die Bundesregierung hat keine Kenntnis davon, inwiefern sich die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Durchführung von Integrationskursen zugelassenen privaten oder öffentlichen Träger an den Aufwendungen selbständig tätiger Lehrkräfte für ihre Sozialversicherungsbeiträge beteiligen.


Quelle: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen,
Bundestags-Drucksache 18/13122 vom 14.07.2017


Schlagworte zu diesem Beitrag: Weiterbildung, Volkshochschule, Honorar, Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 23.08.2017

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024