Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Wie sauer Bier - 200 Millionen Euro die keiner will

Fast überall klagen Arbeitgeber über zu wenig Fachkräfte. Dabei könnten sie ihre ungelernten Beschäftigten zu Facharbeitern qualifizieren. Und es würde sie noch nicht einmal viel kosten.

Im vergangenen Jahr machte die Bundesagentur für Arbeit (BA) einen neuen Topf auf. Mit 200 Millionen Euro will sie die Weiterbildung in den Betrieben fördern. Doch bislang bietet sie ihr Geld wie »sauer Bier« an. In diesem Jahr waren Mitte August gerade einmal 5,4 Millionen abgerufen worden. Als Grund für ihr zurzeit geringes Interesse verweisen manche Arbeitgeber auf die gute wirtschaftliche Lage.

Angesichts voller Auftragsbücher brauchten sie Mann und Maus und könnten deshalb niemanden für eine Fortbildung entbehren. Nach Ansicht von Wilhelm Adamy vom DGB-Bundesvorstand in Berlin zeigt das vor allen Dingen eins: »Die Betriebe planen einfach nicht langfristig.« Besonders die Personalplanung sei häufig viel kurzfristiger als etwa die Investitionsplanung. Angesichts mangelnder Voraussicht wundert es DGB-Mann Adamy jedenfalls nicht, wenn im Aufschwung dann plötzlich Fachleute fehlen.

Die Vertreter der Arbeitnehmerbank im Verwaltungsrat der BA hatten das 200-Millionen-Programm »WeGebAU« im vergangenen Jahr mit auf den Weg gebracht. Damit unterstützt die BA Betriebe, ihre älteren sowie un- und angelernten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnenzu qualifizieren. Die Agenturen für Arbeit zahlen die Lehrgänge und andere Kosten. Manche Agenturen vermitteln Arbeitslose als Ersatz für die Weiterbildungswilligen und übernehmen anteilig Kosten. »Schließlich muss die Arbeitslosenversicherung auch Beschäftigte im Blick haben«, sagt Adamy. Jobverlust trifft oft Menschen ohne Qualifizierung. Sie schützt eine Weiterbildung vor Arbeitslosigkeit. Einige Betriebe haben bereits gezeigt: Auch im Aufschwung bleibt Zeit, Beschäftigte zu qualifizieren.

Seit Juni büffeln etwa drei Beschäftigte der Heidenheimer Gießerei für einen Berufsabschluss. Der Betriebsrat hatte das Thema in die Hand genommen



Interview in direkt mit Willi Wolf
BR-Vorsitzender der Heidenheimer Gießerei



direkt: Euer Betrieb nutzt das Programm »WeGebAU«, um Beschäftigte zu qualifizieren. Wie seid ihr vorgegangen?

Willi Wolf: Ganz wichtig war, dass wir uns einen Überblick verschafft haben. Also, wie alt sind unsere Kollegen und Kolleginnen, welche Abschlüsse haben sie, undwas arbeiten sie jetzt. Dann haben wir einzelne Kollegen gefragt, ob sie nicht Lust hätten, einen neuen Abschluss zu machen. Manche hatten zwar eine Ausbildung als Maler oder Forstwirt, arbeiteten nun aber schon lange bei uns in der Gießerei. Auch bei der Arbeitsagentur hatten wir uns schon nach Fördermitteln erkundigt. Damit sind wir dann zu unserem Arbeitgeber gegangen.

direkt: Hat euer Arbeitgeber gezögert wegen der Auftragslage?

Wolf: Nein, wir konnten die Leute, die sich jetzt weiterbilden, ja ersetzen. Die Arbeitsagentur hat uns drei berufsfremde Arbeitslose vermittelt und zahlt 50 Prozent der Lohnkosten. Die Kollegen haben einen befristeten Vertrag über 18 Monate. In dieser Zeit werden sie auch an Qualifizierungen teilnehmen. Sie sollen die Chance bekommen, auch danach im Betrieb bleiben zu können.

direkt: Wie schwierig war das Projekt Weiterbildung im Betrieb?

Wolf: Es hat mich schon eine Menge Arbeit gekostet. Die Gespräche mit der Arbeitsagentur, der Industrie- und Handelskammer und, und, und. Aber es lohnt sich. Die drei Kollegen, die im Juni ihre Weiterbildung zum Gießereimechaniker angefangen haben, hätten sonst nie ihren Facharbeiter machen können.

direkt: Wie wichtig ist der Betriebsrat bei solchen Projekten?

Wolf: Bei uns waren wir die treibende Kraft, ganz eindeutig. Wenn wir das Thema nicht angepackt hätten, hätte zumindest zum jetzigen Zeitpunkt sich niemand hier fortbilden können. Vielleicht in ein paar Jahren.



Quelle: Weiterbilden - Ausbilden - Prüfen, IG Metall

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 28.08.2007

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024