Selbstständige in der Weiterbildung

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Ausbeutung per Staatsmonopol

In einer Fernsehsendung im vergangenen Mai gab Bundeskanzlerin Angela Merkel einem 21-Jährigen einen Rat: Er solle Zeit in eine Ausbildung investieren, um danach mehr zu verdienen als die 8 Euro bei einer Zeitarbeitsfirma. Mein Anlass, Frau Merkel erneut zu schreiben: Was raten Sie uns Lehrkräften in Integrationskursen? Immerhin hat uns auch Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble als „hochqualifiziert“ bezeichnet.

Merkels zweiseitige Auftragsantwort: „Auf Anregung des BMI wird die Honorarpraxis der Kursträger stetig überprüft, um ggf. gegen so genannte Dumping-Honorare vorzugehen. Darüber hinaus sind die Mittel im Bundeshaushalt für die Durchführung der Integrationskurse ab 2009 auf 174 Millionen Euro erhöht worden. MfG.“ Dieses Dumping-Verhinderungs-Honorar beträgt laut GEW Hessen umgerechnet 7,37 Euro brutto ohne Krankheitsfall. Auf zur Zeitarbeit!

Tatsächlich sind die Haushaltsmittel für die Kurse 2009 nicht erhöht, sondern um über 15 Prozent abgesenkt worden. Selbst der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Albert Maximilian Schmidt, äußerte in der Süddeutschen Zeitung, dass 174 Mio. Euro „…vorne und hinten nicht reichen werden.“ Wen schert’s? Die „Kleine Anfrage“ der Linken dazu blieb bisher ohne Antwort.

Auf der Berechnungsgrundlage des Bundesinnenministeriums kämen wir Vollzeit laut GEW monatlich ohne Krankheitsfall auf 1.690 Euro Honorar – das sind netto 900 Euro. Im Jahr wären dies ca.16.900 Euro Honorar, denn die Ferien sind unbezahlt. Doch die Träger scheuen sich inzwischen, Vollzeitkurse an Lehrkräfte zu vergeben aus Angst, dass unsere Scheinselbstständigkeit aufgedeckt wird. Klagen laufen in Kiel, Ulm und Hannover. Im Angestelltenverhältnis stünden uns für muttersprachlichen Unterricht laut Entgelttabelle TVL ohne Sonderzahlungen 48.623,76 Euro zu. Im Klartext: Der Staat spart mehr als 30.000 Euro pro Vollzeit-Lehrkraft und Jahr – da lohnt es sich offensichtlich, Fürsorgepflichten, Sozialstaatsprinzipien, Anstand und Moral über Bord zu kippen!

Herr Westerwelle grüßt uns LeistungsträgerInnen der Integrationskurse! CDU/CSU, SPD und Grüne schließen sich an; alle bekamen Briefe und E-Mails von „Aktion Butterbrot“. Eine BAMF Abteilungsleiterin fragte unsere VertreterInnen, warum die 12.000 bis 15.000 Lehrkräfte nicht einfach die Stelle wechselten? Doch wohin so plötzlich ohne soziale Absicherung?

Bis 2004 galt noch ein garantiertes Mindesthonorar des Sprachverbands von 23,10 Euro pro Stunde. Dann landeten wir am 1. Januar 2005 in den bundesweit einheitlichen Integrationskursen, ohne zu ahnen, was da auf uns zukam: Ein Albtraum der „feindlichen Übernahme“. Still, klamm und unheimlich errichteten drei Bundesregierungen durch die Integrationskurse ein bundesweites Monopol in den ersten drei Sprachniveaustufen. Per Integrationskursverordnung sind wir Lehrkräfte weisungsgebunden, sollen unangemeldete Unterrichtsbesuche von BAMF-RegionalkoordinatorInnen dulden und uns in unserer Freizeit nachschulen lassen; ohne unseren Protest hätten wir dafür auch noch bezahlen müssen.

Ich warte auf meinen Prozess vor dem Sozialgericht Hannover, in dem unsere Scheinselbstständigkeit geklärt werden soll. An diese Klage kann sich jede/r Betroffene ohne Kosten andocken: Einfach „Aktion Butterbrot“ googeln.


Roswitha Haala


Quelle: biwifo report

Sie können die vollständige Ausgabe des biwifo reports hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Honorar, Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 09.04.2010

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024