Lebenslanges Lernen

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Bundesbildungsministerin Schavan fordert auf dem Deutschen Volkshochschultag einen Innovationskreis Weiterbildung

Für Frau Schavan ist Bildung ein wesentlicher Schlüssel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben:

Mehr noch als in der Vergangenheit entscheidet Bildung heute nicht nur über die Zukunft des Einzelnen, sondern auch über die Zukunft unserer Gesellschaft insgesamt. Mit Bildung erschließen wir Wissen. Durch Bildung gewinnen wir Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt. Bildung ist für jeden von uns der Schlüssel zur Persönlichkeit, zur gesellschaftlichen Teilhabe und zum Arbeitsmarkt. Bildung ist in diesem Sinne auch ein Instrument des Sozialen, eine Voraussetzung für Toleranz, Solidarität und gesellschaftliches Engagement und darum auch eine Grundlage und gleichzeitig ein wertvolles Gut der Demokratie.

Auf einer großen europäischen Konferenz im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft 2007 will sie den Startschuss für das Aktionsprogramm Lebenslanges Lernen geben kann. Wer nicht regelmäßig kontinuierlich weiterlerne, werde vom Fortschritt abgeschnitten und ausgegrenzt. Für sie gilt: Ohne lebenslanges Lernen kein lebenslanges Arbeiten. Entscheidend für die Zukunft ist das Lernen im Lebenslauf. Das aber ist ohne eine funktionierende Weiterbildung nicht vorstellbar.

Das sei nur möglich durch ein kohärentes Gesamtkonzept von Weiterbildung. Der entscheidende Faktor einer erfolgreichen Bildungspolitik wird ein professionell begleitetes Lernen im Lebenslauf sein. Es muss sich an den spezifischen Lebens-, Arbeits- und Lernsituation des einzelnen Menschen orientieren. Dabei jetzt sie besonders auf Formen des „informellen Lernens“. Da Erwachsene mit geringen Qualifikationen zum Beispiel wegen Misserfolgen in Schule und Berufsbildung selten für formale Weiterbildungskurse zu gewinnen seien, biete sich dieser Weg geradezu an.

Unter bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen, wie sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben sind, versteht sie vor allem keine verbindlichen gesetzlichen Regelungen!

Die Bundesregierung strebt kein „Weiterbildungsgesetz des Bundes“ an. Es gibt die Weiterbildungsgesetze der Länder. Das muss reichen. Würden wir die Weiterbildung durch ein Bundesgesetz noch mehr verrechtlichen, hätte das nicht nur bei der beruflichen, sondern auch bei der allgemeinen Weiterbildung zur Folge, dass wir auf neue Anforderungen nicht flexibel genug reagieren können. Auch ohne ein solches Bundesgesetz haben wir genug Möglichkeiten, bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für ein Lernen im Lebenslauf umzusetzen. Indem wir Innovationen fördern, wollen wir die Weiterbildung nachhaltig stärken. Unser Ziel ist es, die Bildungsteilhabe insgesamt zu erhöhen und so die Chancen der Menschen zur persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Entwicklung während ihrer gesamten Lebenszeit zu verbessern.

Was die Länder machen, muss reichen, auch wenn es unzureichend ist. Das ist die Botschaft der Bundesbildungsministerin. Warum ausgerechnet ein Bundesgesetz flexible Regelungen verhindert, 16 unterschiedliche Ländergesetze jedoch nicht, bleibt ihr Geheimnis. Warum es gerecht ist, in Bayern keinen, in Niedersachsen dagegen 10 Tage Anrecht auf bezahlte Freistellung für Bildung innerhalb von 2 Jahren zu erhalten, auch darauf gibt sie keine Antworten.

Für die Zukunft sieht sie mehrere Handlungsfelder für die Weiterbildung:

Wer sinnvoll an Weiterbildung teilnehmen will, der muss Lesen, Schreiben und Rechnen können. Hier gelte es, neue Wege zu finden, um Lern- und Beteiligungsbarrieren abzubauen und die Teilnahme an Grundbildungskursen und vor allem am selbständigen „Weiterlernen danach“ zu erhöhen.

Weiter betont sie die Bedeutung der beruflichen Erstausbildung. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist Voraussetzung für einen gelingenden Einstieg in das Berufsleben. Wer keine Erstausbildung hat, für den bietet die Zukunft kaum Perspektiven – mit allen gesellschaftlichen und sozialen Folgen. Es bleibt zu hoffen, das Frau Schavan dieses Bekenntnis zur beruflichen Erstausbildung auf die duale Berufsausbildung bezieht. Gerade die EU könnte mit ihrem Konzept des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) dem erfolgreichen Modell der beruflichen Erstausbildung in Deutschland den Todesstoß versetzen. Die von ihr geforderte Nachqualifizierung bei nicht erfolgter Erstausbildung kostet Geld. Wo das herkommen soll, auch dazu sagt sie nichts.

Betriebliche Weiterbildung muss zum Normalfall werden. Zu einem modernen Tarifvertrag gehört für mich ganz selbstverständlich die Verankerung der betrieblichen Weiterbildung. Dieses dritte Handlungsfeld wurde gerade von der IG Metall in der letzten Tarifrunde erfolgreich gegen den erbitterten Widerstand der Arbeitgeber durchgesetzt. Ein paar kritische Worte an die Arbeitgeberseite wären sicherlich angebracht gewesen, Frau Schavan!

Die eigenen Initiativen zur Förderung der Weiterbildung, mit dem sie die Verpflichtung aus dem Koalitionsvertrag erfüllen möchte, fallen eher mager aus. Da die Arbeitslosigkeit bei Menschen ohne Bildungsabschluss um ein vielfaches über dem von Akademiker liege, gelte es, Hemmschuhe an der Beteiligung von Weiterbildung abzubauen. Individuelle Beratung könne hier helfen. Bleibt noch das Problem der Finanzierung:
Die Finanzierung muss für alle Beteiligten verlässlich und nachvollziehbar sowie sozial ausgewogen und fair sein, um nicht von vornherein gerade die Menschen auszuschließen, die wir für mehr Bildung gewinnen wollen. Gleichzeitig gilt es, durch stärkere individuelle Gestaltungsmöglichkeiten neue Angebote zu entwickeln, die wirklich gebraucht und nachgefragt werden. Mit dem Bildungssparen wird die Bundesregierung ein Finanzierungsinstrument etablieren, das durch Anreize und Förderung zu privaten Investitionen in Bildung motivieren soll. Gemeinsam mit den Sozialpartnern werden wir weitere Möglichkeiten der Ko-Finanzierung prüfen und sie bei der Einrichtung von tariflich vereinbarten Bildungszeitkonten unterstützen.
Ein wenig Bildungssparen, viel Verantwortung für die Tarifvertragsparteien, dass sind die bundeseinheitlichen Regelungen für mehr Weiterbildung, wenn es nach der Bundesbildungsministerin geht.

Ob ihre danach ausgesprochene Einladung für den Innovationskreis Weiterbildung ein ernsthaftes Angebot zum Gespräch sein soll, darf bezweifelt werden.

Ich lade Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Praxis zum Gespräch ein, um die hier skizzierten Eckpunkte einer neuen Strategie des Lebenslangen Lernens und der Weiterbildung zu diskutieren. Noch in diesem Monat, am 17. Mai, wird der „Innovationskreis Weiterbildung“ zum ersten Mal zusammenkommen, um den „Fahrplan“ für eine neue Strategie zu erörtern.

Dieses „Angebot“ gilt offensichtlich nur zur Durchsetzung ihres Konzepts. Ein offenes Angebot zum Gespräch, kritisch über dieses Konzept zu beraten und gegebenenfalls Änderungen daran vorzunehmen, das scheint nicht gewollt zu sein. Denn wer gleich einen „Fahrplan“ vereinbaren will, ohne über die Inhalte zu reden, dem geht es nicht um ein kritisches Gespräch. Die Ministerin gibt vor, der Tross hat zu folgen, will so eine Bundesbildungsministerin bildungsferne Schichten erreichen.

Mal sehen, wer wirklich zum Gespräch „eingeladen wird“. Die Gewerkschaften vielleicht? Sang doch schon Degenhardt so treffend: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, spiel nicht ihre Lieder, zieh doch in die Oberstadt, machs wie deine Brühü hüder“.


Alle kursiven Textteile stammen aus dem Redemanuskript von Frau Dr. Annennette Schavan, den sie hier als pdf-Datei herunterladen können.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 10.05.2006