Selbstständige in der Weiterbildung

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Eine Stimme für die Lehrenden in Integrationskursen

Die Sprachförderung von Migrantinnen und Migranten ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Sie erfordert mannigfaltige fachliche und persönliche Kompetenzen. Sie ist per definitionem eine soziale und politische Tätigkeit für das Gemeinwesen. Vom Gemeinwesen verlangen die Lehrenden in Integrationskursen Anerkennung für ihre Arbeit und soziale Gerechtigkeit.

ver.di setzt sich ein für Mindeststandards an Honoraren und Arbeitsbedingungen für Honorarkräfte in Integrationskursen ein. Eine Beteiligung der Kursträger an den Beiträgen zur Sozialversicherung ist zu diskutieren. ver.di wird aufgefordert, den Lehrenden, deren Anliegen vom Bundesinnenministerium nicht zur Kenntnis genommen werden, eine Stimme zu geben und lautstark deren Belange gegenüber politischen Entscheidungsträgern zu artikulieren.

ver.di ist gegen Verschärfungen im Aufenthaltsrecht, die den Zugang von MigrantInnen zu Angeboten der Sprachförderung einschränken. Einer doppelt restriktiven Politik – durch restriktive Bildungspolitik und durch restriktives Aufenthaltsrecht – tritt ver.di vehement entgegen.

ver.di setzt sich zudem für eine Qualitätskontrolle der Träger von Integrationskursen ein, welche die Arbeitsbedingungen der Honorarkräfte einschließt.


Begründung

Mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1.1.2005 gibt es erstmals eine bundeseinheitliche gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Deutschkursen für MigrantInnen. Das Bundesinnenministerium (BMI) richtete mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Behörde ein, deren Aufgabe darin besteht, das Gesetz in Bezug auf die Sprachförderung umzusetzen. Akkreditierte Träger führen Integrationskurse aus bis zu 600 Stunden Sprach- und 30 Stunden Orientierungskurs zu Geschichte, Kultur und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch. Dies geschieht nach den curricularen Vorgaben des BAMF im Konzept für einen bundesweiten Integrationskurs und gemäß den Bestimmungen der Integrationskursverordnung (IntV).

Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass Kenntnisse der Sprache eine unabdingbare Voraussetzung für die Integration in eine Gesellschaft sind. Es herrscht Übereinstimmung, dass Integration von enormer gesellschaftlicher Wichtigkeit und Wertigkeit ist. – wobei die Debatte darüber, was Integration selbst bedeutet, dagegen sehr kontrovers geführt wird.

In krassem Widerspruch dazu steht der Stellenwert, welcher der Arbeit der Lehrenden in der Sprachförderung von MigrantInnen beigemessen wird. 83 % von ihnen arbeiten – in die Selbstständigkeit gedrängt – auf Honorarbasis. Ansprüche auf Errungenschaften des Sozialstaates wie bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Arbeitgeberanteile an Sozialversicherungsbeiträgen werden ihnen vorenthalten.

Eine vom BMI in Auftrag gegebene und seit Ende 2006 vorliegende Evaluation der Integrationskurse zeigt, dass bis Mai 2006 knapp 270.000 MigrantInnen eine Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs erhalten haben. Die Politik wertet die Einführung und Umsetzung eines flächendeckenden Angebotes an Integrationskursen als Erfolg.

Die Studie belegt aber auch, dass sich die Lage der Lehrenden in Integrationskursen seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes drastisch verschlechtert hat. Knapp die Hälfte der Kursträger gab an, seit Einführung der Integrationskurse die Honorare abgesenkt zu haben – bis unter 10 Euro pro Unterrichtseinheit. Die Mehrzahl der Lehrkräfte (60%) erhält zwischen 14 und 20 Euro pro Unterrichtsstunde – und dies für die Durchführung von Deutschkursen im öffentlichen Interesse. Aus diesen Brutto-Honoraren müssen die Lehrkräfte noch ihre Kosten und ihre soziale Sicherung bestreiten. Qualität und Nachhaltigkeit von öffentlichen Maßnahmen wie den Integrationskursen hängen wesentlich vom Engagement der eingesetzten Personen ab. Dieses Engagement kann sich nur dann entfalten, wenn sich die gesellschaftliche Wertschätzung auch in abgesicherten Tätigkeitsverhältnissen niederschlägt.

Integration durch Sprachförderung ist eine Aufgabe von enormer gesellschaftlicher Wichtigkeit. Es ist nicht hinzunehmen, wenn private Unternehmen diese Aufgabe mit einer Lizenz zum Gelddrucken verwechseln. Privatwirtschaftliche Gewinne werden auf Kosten der Lehrenden, der TeilnehmerInnen und der Gesellschaft erwirtschaftet.

Es ist nicht akzeptabel, dass seitens des BAMF eine Qualitätskontrolle der Träger in Bezug auf Honorare und Beschäftigungsverhältnisse weder stattgefunden hat noch stattfindet.


Quelle: Antrag der Bundeskommission Selbstständige an den ver.di-Bundeskongress 2007

Der Antrag ist vom ver.di-Bundeskongress 2007 ohne Änderungen angenommen worden.

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 10.10.2007