Allgemeine und politische Weiterbildung

Zurück zur Übersicht

Kommentierung / Stellungnahme zum Diskussionspapier der AGBF der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag zum Thema Weiterbildung

Wir begrüßen die Anstrengungen der AGBF, die Fort- und Weiterbildungslandschaft in Deutschland insgesamt in den Blick zu nehmen und ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept zur Entwicklung des Weiterbildungssektors zu einer echten vierten Säule unsere Bildungssystems, wie es im Koalitionsvertrag der Großen Koalition festgeschrieben ist, zu entwerfen. Auch den Plan, die vorhandenen Instrumente und Maßnahmen gezielt auszubauen und durch sinnvolle Erweiterungen in einer Nationalen Bildungsstrategie, eine nationalen Bündnis für Weiterbildung und einem kohärenten Erwachsenenbildungsförderungsgesetz zusammenzuführen, unterstützen wir.

Wir möchten uns daher an der Diskussion des Arbeitspapier der AGBF „Die Weiterbildung ins Zentrum: Möglichkeiten des Bundes zur Förderung der Weiterbildung stärken und nutzen“ beteiligen und im Folgenden einige Aspekte zu Bedenken geben (Verweis auf Seiten des Papiers in Klammern).


Politische Bildung muss zentraler Baustein des „Lebenslangen Lernens“ sein

Es ist unbestritten, dass der gesellschaftliche Wandel neue Anforderungen an die Organisation und Inhalte von Bildung und Weiterbildung stellt. Das Konzept des Lebenslangen Lernens, wie es im Zuge der Umstrukturierung von Gesellschaft und Arbeitswelt entwickelt wurde, sollte dazu dienen, Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Leben selbstbestimmt zu führen und sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, und zwar im Sinne der Teilhabe an sozialen Gemeinschaften wie an politischer Meinungsbildung, Entscheidungsfindung und Ausgestaltung.

Wir teilen also die Einschätzung im vorliegenden Arbeitspapier der AGBF, dass Bildung im Sinne des Lebenslangen Lernens „als zentraler Schlüssel für die Weiterentwicklung der demokratischen Gesellschaft und der ökonomischen Leistungsfähigkeit und Wohlfahrt einerseits und der persönlichen Emanzipation, Teilhabe, Aufstieg und Integration der einzelnen Menschen andererseits“ (Seite 2) zu verstehen ist.

Menschen zu befähigen, zur Weiterentwicklung unserer demokratischen Gesellschaft ebenso wie zu ihrer persönlichen Emanzipation, Teilhabe und Integration beizutragen, gehört zu den Kernaufgaben politischer Bildung.

Sie bietet notwendiges Wissen und vermittelt erforderliche Kompetenzen für die soziale und politische Beteiligung und Integration aller Bürgerinnen und Bürger. Sie vermittelt Kompetenzen, mit Ambiguität und schnell wechselnden Herausforderungen demokratisch und friedlich umzugehen und sie bietet sowohl geschützte wie öffentliche Räume, in denen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung unterstützt werden.

Um so erstaunlicher und bedauernswerter finden wir es, dass das Papier der ABF nach dem oben zitierten Eingangsbekenntnis zur Bildung als Schlüssel für die Weiterentwicklung einer demokratischen Gesellschaft in seiner weiteren Argumentation die politische Bildung kaum erwähnt.

In einem Konzept des Lebenslangen Lernens darf politische Bildung nicht fehlen. Sie kann nicht verstanden und zitiert werden als „Feuerwehr“ immer dann, wenn die politische Verwirrung oder auffällige Abstinenz (z.B. bei der Wahlbeteiligung) von Bevölkerungsteilen virulent wird oder wenn anti-demokratische Aktionen die Öffentlichkeit konjunkturell aufschrecken. Politische Bildung ist eine Daueraufgabe, und zwar sowohl als Pflichtaufgabe für den Staat als auch als Daueranforderung an die „lebenslang lernenden“ Bürgerinnen und die Bürger, die damit konfrontiert sind, sich in Bezug auf den politischen und gesellschaftlichen Wandel und in Bezug auf die zunehmende Abstraktion politischer Gestaltungsmöglichkeiten (angesichts von Globalisierung und Ökonomisierung) immer schneller neu zu informieren und zu orientieren.


Politische Bildung trägt wesentlich zur Integration aller bei


Der politischen Bildung kommt damit eine wesentliche Bedeutung für den sozialen Frieden in Deutschland zu. Sie vermittelt die notwendigen Kompetenzen, in einer multikulturellen und multi-sozialen Gesellschaft alle Bürgerinnen und Bürger zu integrieren.

Dies wird auch im Papier der AG SPD 60plus „Weiterbildung zukunftsgerecht gestalten“ betont:

„Der öffentliche Bildungsauftrag braucht nicht nur berufsbezogene Zielsetzungen. (...) Maßnahmen der allgemeinen, politischen und kulturellen Weiterbildung im Alter sind gleichermaßen für die Gesellschaft und für den Einzelnen eine gewinnbringende Investition. Allgemeines, politisches und kulturelles Lernen vermittelt den Menschen Grundorientierungen und Kompetenzen. Dieses macht es ihnen möglich, den politischen und gesellschaftlichen Wandel in unserer Gesellschaft aktiv mitgestalten zu können. Es befähigt sie in allen Lebensphasen zum bürgerschaftlichen Engagement.“

Die hierfür wesentlichen Kompetenzen betreffen nicht nur die Selbstorganisation, sondern vor allem Fähigkeiten, die für ein zivilgesellschaftliches Engagement und die Gestaltung demokratischer und gerechter Lebensverhältnisse sowie kultureller Eigenständigkeit für alle (auch mit globaler Perspektive) notwendig sind. (Weiterbildungs-)Bildungspolitik muss daher auch, im Hinblick auf ein Zusammenleben mit verschiedenartigen Kulturen und in unterschiedlichen Traditionen, in individueller und virtueller Mobilität, angesichts der Vielfältigkeit von Kontexten und Rollen, aber auch der Komplexität von politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, die Vermittlung sozialer Kompetenzen und kulturellen Wissens durch politische Bildung fördern.


Integration von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund

Politische Bildung ist daher ebenso ein wichtiger Baustein für die Integration von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund. Sie sollte wesentlich mehr als bisher innerhalb der Integrationskurse nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes berücksichtigt werden. Die dort vorgesehenen so genannten „Orientierungskurse“ vermitteln bisher vor allem staatskundliches Wissen, nicht aber Kompetenzen, um sich in einer schnell verändernden und konfliktbelasteten Gesellschaft zu orientieren und demokratisch handeln zu können.


Europäischer Integrationsprozess

Für alle Bürgerinnen und Bürger ist politische Bildung der Schlüssel für den europäischen Integrationsprozess. Ein demokratisches Deutschland, das alle seine Bürgerinnen und Bürger integrieren und im Sinne „aktiver Bürgerschaft“ beteiligen will, und ein „Europa der Bürger“ mit seinen vielfältigen Akzeptanz- und Vermittlungsproblemen ist nur über die Verstärkung demokratischer und partizipativer Vermittlungs-, Beteiligungs- und Entscheidungsprozesse denkbar. Dazu müssen Bürgerinnen und Bürger Wissen, Einsichten und Kompetenzen erwerben, um ihre Rolle innerhalb der deutschen und europäischen Politik- und Kulturlandschaft ausfüllen zu können.

Allein schon diese Tatsache müsste Grund und Anlass sein, die allgemeine und politische Weiterbildung auch im Rahmen des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQF) und, in dessen Folge, auch des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) in Deutschland zu definieren. Eine diesbezügliche Initiative müsste aus unserer Sicht Teil einer als umfassend gedachten Weiterbildungsstrategie, die sie die AGFB intendiert, gehören.


Gegen soziale und ökonomische Ausgrenzung

Soziale Verwerfungen und Tendenzen von Teilung, Diskriminierung und Ausgrenzung in der Gesellschaft – z.B. in Erwerbstätige und Nicht-Erwerbstätige, in Alte und Junge, in Deutsche und Nicht-Deutsche, in Kinderlose und Eltern etc. – sind nicht über politische Appelle zu beheben. Die Befähigung aller, sich an der Entwicklung konsensfähiger Lösungen zu beteiligen, zu kommunizieren, Meinungs- und Entscheidungsprozesse mitzugestalten und entsprechend zu handeln, ist nicht einfach per se – oder per „Teilhabe“ am Arbeitsprozess
zu haben.

Diesen Eindruck kann man jedoch gewinnen, wenn im Papier der AGBF im Abschnitt „Alle wissen es!“ vor allem die Erwerbstätigkeit als Teilhabefaktor und das Ziel des Erhalts von Erwerbstätigkeit in den Vordergrund gestellt wird. Wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit und soziale Absicherung werden als Herausforderung gesehen, nicht aber die soziale und politische Teilhabe aller, unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht.

Durchgängig wird im AGBF-Papier die Erwerbsbiographie in den Zielbereich von Weiterbildung gestellt, besonders deutlich auf S. 8, wo ein „Sonderprogramm Weiterbildungsforschung“ vorgeschlagen wird, das die Alterskohorten anhand der Phasen von Berufskarrieren einteilt (18: Berufsbildungsphase, 30-35 Etablierung im Beruf, 35-55 Einstige in die letzte Berufsphase). Diese Einteilung lässt andere Faktoren von Bildungsverläufen im Sinne von Weiterbildungsbereitschaft, -fähigkeit, -beteiligung und - wirkung völlig außer Acht, wie z.B. biographisch bestimmte politische Interessenslagen, die im übrigen über das Alter von 55 Jahren hinausgehen (auch im Hinblick auf andere Faktoren im Lebenslauf, z.B. von Frauen).

Demgegenüber gehen fast alle aktuellen Gesellschaftsprognosen von einem Rückgang und Systemwandel der Erwerbsarbeit - der Flexibilisierung der Grenze zwischen Arbeit und Nichtarbeit (u.a. durch Ausbildungs- und Weiterbildungszeiten, Senkung des Rentenalters, Senkung der allgemeinen Arbeitszeit, just-in-time-Produktion, lean production, Teilzeitarbeit) - aus. Bereits jetzt ist auszumachen, dass Menschen einen großen Teil ihres Lebens ohne oder in unterbrochener Erwerbsarbeit verbringen.
Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, große Teile gesellschaftlich relevanter Arbeit unentgeltlich und freiwillig erledigt werden. Bürgerschaftliches Engagement, das in letzter Zeit verstärkte Aufmerksamkeit erhält, benötigt jedoch (Beteiligungs-)Kompetenzen und ist daher ebenso abhängig von entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten und ihrer Förderung.


Politische Bildung ist Weiterbildung, nicht „Freizeitbildung“

Entsprechend halten wir es für ein fundamentales Missverständnis bezüglich der Rolle politischer Bildung, wenn in der Formulierung der Bildungsphasen auf S. 5 die 4. Phase „Altersbildung“ die allgemeine und politische Bildung als „Freizeitbildung“ deklariert und nicht mehr als „Weiterbildung“ anerkennt. Die Formulierung missachtet die Tatsache, dass es auch für die gesellschaftliche und politische Teilhabe im Sinne demokratischer politischer Kultur notwendig ist, die sich immer schneller vollziehenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen sowie die komplexer werdenden Legitimations- und Entscheidungsstrukturen laufend, also „lebenslang lernend“ nachzuvollziehen und dabei Unterstützung zu erhalten.

Ein Konzept des lebenslangen Lernens und der Weiterbildung sollte daher einbeziehen, dass und welche Kompetenzen, Fähigkeiten und Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben in aktiver gesellschaftlicher Teilhabe außerhalb von Erwerbsarbeit möglich ist.


Ökonomisierung aller Lebensbereiche versus Selbstbestimmung


Wenn Bildungsziele demgegenüber in starker Abhängigkeit von Erwerbstätigkeit einem deutlichen ökonomischen Verwertungsinteresse untergeordnet werden, kommen allgemeine und politische Weiterbildung nur in den Blick in Bezug auf betriebliche oder berufliche Belange, nicht aber im Sinne einer lebenslangen Persönlichkeitsbildung und der Notwendigkeit, die Bürginnen und Bürger eines demokratischen Staatswesens in die Lage zu versetzen, ihre Rechte und Pflichten erkennen, wahrnehmen und/oder neu gestalten zu können. Eine solche Betrachtungsweise leistet der fortschreitenden Ökonomisierung aller Lebensbereiche Vorschub und damit selbstläufigen Entwicklungen einer sozial ungerechten, von Marktgesetzen regierten Fragmentierung der Gesellschaft.

Denn die Wissensgesellschaft verlangt nicht nur den Umgang mit vielfältigen und häufig wechselnden Wissenslagen oder beruflichen Anforderungen. Sie verlangt – Möglichkeiten einer aktiven Teilhabe vorausgesetzt - auch und vor allem die Fähigkeit, Bedingungen kritisch zu hinterfragen und Entwicklungen selbstverantwortlich zu gestalten. Auch lebenslanges und „Just-in-time“-Lernen kann nur gelingen auf dem Hintergrund und der Basis einer politischen Bildung, die die Lernenden in die Lage versetzt, Anforderungen in sinnvolle, überflüssige, nützliche, zukunftsfähige und überflüssige zu unterscheiden und mit Gründen zu wählen oder abzulehnen. Die unkritische Übernahme von Lernzumutungen, gedacht als „Anpassung an sozialen und wirtschaftlichen Wandel“, würde dagegen eine Gesellschaftsentwicklung reproduzieren, die jenseits der Einflussnahme von Politik und erst Recht des Einzelnen und seiner Selbstbestimmung liegt.


Politische Bildung muss finanziert werden

Leider findet diese Sichtweise im AGBF-Papier keinerlei Berücksichtigung. Konsequenterweise wird auch die Finanzierung der Weiterbildung ausschließlich im Zusammenhang mit beruflicher Bildung gesehen. Politische Weiterbildung ist jedoch nicht nur ein Anliegen von Sozial- und Tarifpartnern. Das Anliegen, die politische Teilhabe von allen Bürgerinnen und Bürgern, gleich welchen Alters und Lebensumstände, und so den Erhalt und die Mitentwicklung einer demokratischen Gesellschaft und einer politischen Kultur zu garantieren, bleibt vor allem eine öffentliche Aufgabe im gesamtstaatlichen Interesse, die staatlicher Förderung bedarf. Die aktuellen Modelle zur Finanzierung der Weiterbildung – dazu gehört auch die im AGBF-Papier beschriebene „Triade“ – macht Weiterbildung mehr und mehr zum „Privatvergnügen“ (siehe „Bildungssparen“ oder „Bildungsgutscheine“) oder, je mehr ökonomischer Nutzen zu erwarten ist, zur Sache von Wirtschaft und Sozialsystem.

Allgemeine und politische Bildung, aber auch berufliche Bildung, die dazu beiträgt, Menschen, vor allem benachteiligte, in die Gesellschaft zu integrieren, bedarf mehr als nur einer „Impulsgebung“ des Staates (siehe S.4 des Papiers) oder einer „öffentlichen Steuerung“, sondern muss durch die öffentliche Hand grundständig abgesichert werden. Gesellschaftlich notwendige Weiterbildung kann nicht dem „freien Spiel“ privater Kräfte oder einem imaginären freien Bildungsmarkt überlassen werden. Diese Vorstellung verkennt, dass vor allem diejenigen Unterstützung benötigen, die aus eigener Kraft oder Antrieb in Weiterbildung keinen Sinn sehen und/oder keine Mittel dafür aufbringen wollen oder können. Werden einerseits die Weiterbildungsträger aufgefordert, vor allem benachteiligte und „bildungsferne“ Zielgruppen anzusprechen, ist es nur logisch davon auszugehen, dass diese Zielgruppen gerade nicht aus eigenem Antrieb oder eigenem finanziellen Aufwand die Angebote annehmen. Politische Bildung, ebenso wie politische Beteiligung und bürgerschaftliches Engagement, braucht öffentliche Unterstützung, damit alle Bürgerinnen und Bürger erreicht werden können, nicht nur diejenigen, die sich schon immer interessierten und es sich leisten können. Dafür darf nicht auf die Eigeninitiative einiger weniger Personen oder Unternehmen vertraut werden, sondern es müssen im Gegenteil Anreize geschaffen werden, sich mit politischen, gesellschaftlichen und sozialen Fragen auseinander zu setzen.

Das Papier der AG SPD 60plus wird in dieser Hinsicht deutlicher:

„Wir Sozialdemokraten wollen, dass an dieser für den gesellschaftlichen Zusammenhalt so wichtigen Form des lebenslangen Lernens alle teilnehmen können. Die Finanzierung von Maßnahmen der allgemeinen, politischen und kulturellen Weiterbildung, die Orte der Kommunikation und des Lernens in einer demokratischen Gesellschaft, sind für uns eine öffentliche Aufgabe. Wir fordern, dass der Staat künftig auch jedem Bürger im Erwachsenen und nicht mehr allein im Jugendalter freien Zugang zu einem bestimmten Niveau der Allgemeinbildung und zu einer beruflichen Erstausbildung gewährleistet.“

In diesem Sinne unterstützen wir auch Initiativen zur Verstärkung der Weitebildungsförderung auf EU-Ebene. Hier wurde u.E. erkannt, dass „aktive Bürgerschaft“ (gesellschafts-)politische Bildung voraussetzt. Dazu zählen Teile des Programms LEONARDO da VINCI ebenso wie das GRUNDTVIG-Programm (siehe S.7), das gerade ein Programm der allgemeinen Weiterbildung ist und in dessen Rahmen bereits viele Projekte europäischer Zusammenarbeit im Bereich der politischen Bildung unterstützt wurden.


Politische Bildung ist genuiner Bestandteil aller Weiterbildung

Wenn die AGFB die Absicht hat, eine zukunftsfähiges Modell einer umfassenden Weiterbildungsstruktur zu entwerfen, dann kann es nicht in ihrem Sinne sein, die Weiterbildung sogar stärker als bisher in „beruflich verwertbare“ Weiterbildung und „andere“ einzuteilen. Das vorliegende AGBF-Papier enthält jedoch so gut wie keine Anhaltspunkte, die auf eine Einheit von beruflicher, allgemeiner und politischer Bildung verweisen. Es ist aber zu bedenken, dass die Bereiche weder strukturell, noch bildungstheoretisch, noch praktisch sinnvoll zu trennen sind. Auch für die berufliche Weiterbildung muss die aktive demokratische Staatsbürgerschaft konstitutives Bildungsziel sein; ebenso, wie die politische Weiterbildung die Reflexions- und Handlungsfähigkeit Erwerbstätiger auch für ihren beruflichen Kontext fördert.


Pluralität erhalten - Politische Bildung und ihre Träger müssen beteiligt werden


Es ist jedoch wichtig, auch bei einer bundesweiten Zusammenführung einer - in der Tat „durchaus zersplitterten politischen Fort- und Weiterbildungslandschaft“ (siehe Anschreiben) - durch gesetzgeberische und strukturelle Maßnahmen für die Erwachsenenbildung die Pluralität der Landschaft zu erhalten.

Zwar betont das Papier der AG SPD 60plus:

„Nur mit einer Nationalen Bildungsstrategie, einem nationalen Bündnis für Weiterbildung, nur mit ressortübergreifendem Handeln und dem konstruktiven Zusammenwirken von Politik, Tarifparteien und Bildungsträgern erhält Weiterbildung die Bedeutung, die wir für die Zukunft unserer Gesellschaft brauchen.“

Dieser richtige Gedanke, alle relevanten Akteure für eine Weiterentwicklung der Weiterbildung in Deutschland an einen Tisch zu bringen, findet sich jedoch in den konkreten Vorschlägen nicht wieder. Im Vorschlag für ein „Bündnis für Weiterbildung“ und damit zusammenhängend für einen „Gipfel für Weiterbildung“ finden die einschlägigen Akteure der politischen Weiterbildung, vor allem die freien Weiterbildungsträger, keinerlei Berücksichtigung (S. 7, Punkt 1).

Freie Träger jedoch die repräsentieren durch ihre Anzahl, ihre regionale Streuung und durch die große Bandbreite von Inhalten, Werten, politischen und weltanschaulichen Perspektiven, methodischer und didaktischer Gestaltung und institutioneller Strukturen die Breite der Kompetenz und Anschlussfähigkeit allgemeiner und politischer Weiterbildung. Sie sind wesentlich besser als staatliche oder halb-staatliche Einrichtungen in der Lage, flexibel und in partizipativer Zusammenarbeit mit den Zielgruppen Bildungsangebote zu machen und zu verändern.

Darüber hinaus schlägt das Papier der AG SPD 60plus einen „Aktionsplan Weiterbildung 2015“ und den Aufbau einer Weiterbildungslandschaft als ausschließlich kommunaler Aufgabe vor. Zwar ist es sinnvoll, die Weiterbildungsangebote übersichtlich und damit erkennbarer zu gestalten, über sie besser zu informieren, ihre Orientierung an den Interessen und Bedarfen der Teilnehminnern und Teilnehmer zu optimieren, und sie regional und lokal zu bündeln. Es würde jedoch eine nicht nachvollziehbare Einschränkung des Angebots bedeuten, dieses auf ein kommunal organisiertes Programm zu reduzieren.

Wird Politische Bildung als eigenständiger Bestandteil und wichtiger Faktor einer zukunftsfähigen Weiterbildung erkannt, muss sie selbstverständlicher Bestandteil einer „4. Säule“ des Bildungssystems sein, müssen ihre Träger in ein Bündnis für Weiterbildung aufgenommen werden und an einem Gipfel für Weiterbildung beteiligt werden und muss politische Bildung selbstverständlich – und entgegen der auf S. 7, Punkt 5, geäußerten Absicht im AGBF-Papier, in dem nur die betriebliche und berufliche Fortbildung erwähnt wird - auch Bestandteil einer Nationalen Bildungsberichterstattung sein. Für diese wie für die unter Punkt 3 (S.7) erwähnte Weiterbildungsstatistik ist es notwendig, die Weiterbildungsbereiche sinnvoll zu identifizieren und die Erhebungsmerkmale in Kommunen, Land und Bund zu harmonisieren und dabei die politische Bildung als eigenen Bereich zu beachten. In diesem Zusammenhang wiederholen wir die Erwartung, dass auch bei der Ausformulierung des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) die nicht-formale, politische Weiterbildung Berücksichtigung findet.

Insgesamt möchten wir die Bemühungen der AGBF, ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept zur Entwicklung des Weiterbildungssektors zu einer echten vierten Säule unsere Bildungssystems zu entwerfen, unterstützen. Wir stehen daher für Anregungen, Gespräche und Diskussionen gern zur Verfügung.


Quelle: Stellungnahme des Bundesausschuss Politische Bildung 2007

Hier finden Sie das Arbeitspapier der AGBF.

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 02.12.2007