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Selbstständige im SGB II-Bezug – Bewertung des Einkommens und Berufsfreiheit

Vorbemerkung der Fragesteller

Mit dem Erlass der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) zum 1. Januar 2008 wurde die Anrechnung des Einkommens von Selbstständigen und Freiberuflerinnen und Freiberufler vom Steuerrecht abgekoppelt. Die Regelungen des Steuerrechts sind seitdem nicht mehr die verbindliche Grundlage zur Ermittlung des Einkommens bei selbstständig Erwerbstätigen. Von den Betriebseinnahmen sind laut Verordnung die „tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben […] ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen“ (§ 3 Absatz 2 Alg II-V). Tatsächliche Ausgaben sollen dabei nicht abgesetzt werden, soweit diese vermeidbar sind oder „offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen“ (§ 3 Absatz 3 Alg II-V). Abweichend von der steuerlichen Absetzbarkeit werden statt 0,30 Euro lediglich 0,10 Euro Kilometerpauschale gewährt. Mit der 1. Änderung der Alg II-Verordnung zum 1. Januar 2009 ist letzter Punkt insofern korrigiert worden, als bei überwiegend betrieblich genutzten Fahrzeugen die tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben angerechnet werden.

Aus der Abkopplung der Einkommensermittlung vom Steuerrecht ergeben sich erhebliche Auswirkungen auf den Leistungsanspruch – sowohl hinsichtlich der Frage, ob eine Bedürftigkeit vorliegt und hinsichtlich der zu gewährenden Leistungshöhe. Die Existenzsicherung und insbesondere der Aufbau einer selbstständigen Existenzgrundlage werden durch diese Maßnahme gefährdet. Für die betroffenen Leistungsbeziehenden wird zudem eine doppelte Buchführung notwendig.

Mit dem Gesetz zur Neuordnung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wird § 10 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) insofern geregelt, als nunmehr die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht die Unzumutbarkeit durch die arbeitsmarktpolitischen Institutionen vermittelten Tätigkeit begründet. Selbstständig Tätige im SGB II-Bezug können demnach durch die zuständigen Träger in eine abhängige Beschäftigung vermittelt werden.

Beide genannten Veränderungen scheinen verfassungsrechtlich problematisch (Fall 1: Ungleichbehandlung betrieblicher Ausgaben; Fall 2: Eingriff in Artikel 12 des Grundgesetzes – Berufsfreiheit) und vermitteln den Eindruck, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass selbstständig Erwerbstätige mit prekären Einkommensverhältnissen überwiegend in missbräuchlicher Weise ihr Anrecht auf SGB II-Leistungen nutzen würden.


Frage 1. Wie hat sich die Zahl der selbstständig Erwerbstätigen im SGB II-Bezug seit 2005 entwickelt?

Antwort der Bundesregierung

Der Bundesagentur für Arbeit liegen Daten bis September 2008 vor. Eine statistische Berichterstattung über Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist von Januar bis September 2005 und ab Januar 2007 möglich.

Die Zahl der selbstständig erwerbstätigen Arbeitslosengeld II-Bezieher ist seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende kontinuierlich gestiegen. Im Einführungsmonat waren rund 34 000 Selbstständige registriert, die gleichzeitig Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen. Das waren 0,8 Prozent aller Bezieher von Arbeitslosengeld II. Zahl und Anteil haben sich über ca. 48 000 und 0,9 Prozent im September 2005 bis auf rund 108 000 oder 2,2 Prozent im September 2008 erhöht.

In den ausgewiesenen Daten sind selbstständig erwerbstätige Arbeitslosengeld II-Bezieher unabhängig von der Frage erfasst, ob Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit berücksichtigt wurde.


Frage 2. Welche Leistungen in welcher Höhe haben selbstständig Erwerbstätige in Anspruch genommen (Durchschnittswerte pro Jahr – bitte getrennt nach Leistungen der Grundsicherung und Kosten der Unterkunft angeben)?

Antwort der Bundesregierung

Jahresdurchschnittswerte können für das Jahr 2007 berechnet werden. Es können Personen oder Bedarfsgemeinschaften betrachtet werden. So erhielten selbstständig erwerbstätige und erwerbsfähige Hilfebedürftige 2007 jahresdurchschnittlich 510 Euro Geldleistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wovon 190 Euro auf kommunale Leistungen entfielen. Kommunale Leistungen umfassen in erster Linie Kosten der Unterkunft und darüber hinaus einmalige Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB II. Bedarfsgemeinschaften, die Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit beziehen, bekamen jahresdurchschnittlich 845 Euro Geldleistungen, wovon 358 Euro auf kommunale Leistungen entfielen.

Betrachtet wurden hierbei alle Personen, bei denen mindestens ein Euro aus der selbstständigen Tätigkeit als Einkommen berücksichtigt wurde.


Frage 3. Wie lange waren selbstständig Erwerbstätige durchschnittlich im Leistungsbezug nach dem SGB II?

Antwort der Bundesregierung

Der Bundesregierung liegen keine Daten zum durchschnittlichen Leistungsbezug selbstständig Erwerbstätiger vor.


Frage 4. Wie hoch waren die Gesamtausgaben für Selbstständige im SGB II-Bezug in den Jahren seit 2005 (bitte pro Jahr angeben)?

Antwort der Bundesregierung

Die Ausgaben für Selbstständige in der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nicht getrennt erfasst. Zur Näherung können aber die Leistungen für Selbstständige herangezogen werden. Jahreswerte können allerdings nur für 2007 berechnet werden (vgl. Frage 2). Danach ergibt sich für 2007 ein Ausgabenvolumen für selbstständige Personen von 439 Mio. Euro und für Bedarfsgemeinschaften mit Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit von 714 Mio. Euro. Um einen Einblick in die Ausgabenentwicklung geben zu können, werden hilfsweise in den nachfolgenden Tabellen die monatlichen Ausgaben – in ihren Komponenten Empfänger und Leistungen – im Jahresverlauf 2007 und in den anderen Jahren jeweils für den September dargestellt. Danach hat sich das monatliche Ausgabenvolumen für selbstständige Personen von 25 Mio. Euro (September 2005) auf 54 Mio. Euro (September 2008) und für Bedarfsgemeinschaften mit Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit von 44 Mio. Euro (September 2005) auf 83 Mio. Euro (September 2008) etwa verdoppelt. Ausschlaggebend für diesen Anstieg waren sowohl steigende Empfängerzahlen als auch zunehmende Zahlungsansprüche. Der durchschnittliche Zahlungsanspruch pro Person hat sich von 502 Euro auf 546 Euro erhöht. Dass sich gleichzeitig der Zahlungsanspruch pro Bedarfsgemeinschaft von 905 Euro auf 856 Euro verringert hat, kann aus einer gleichzeitigen durchschnittlichen Verkleinerung der Bedarfsgemeinschaften resultieren.


Frage 5. Welche Gründe und dokumentierten Fakten haben die Bundesregierung zu der Entwicklung einer sozialrechtlichen Bewertung des Einkommens von Selbstständigen im SGB II-Bezug – unabhängig vom Steuerrecht – bewogen?

Antwort der Bundesregierung

Eine der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist die Sicherstellung des Lebensunterhalts, wenn und soweit ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln und Kräften, insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen aus der Erwerbstätigkeit, sichern kann (§ 1 SGB II).

Mit der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung wird diesem Prinzip auch dann Rechnung getragen, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige selbstständig tätig ist. Dabei wird das Einkommen – entsprechend dem Fürsorgeprinzip – jeweils regelmäßig für den Bewilligungszeitraum berechnet (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Alg II-V). Durch die Berechnung des Einkommens nach den tatsächlichen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben im laufenden Bewilligungszeitraum wird sichergestellt, dass nur das Einkommen berücksichtigt wird, das für den Lebensunterhalt tatsächlich zur Verfügung steht. Dies ist erforderlich, um das zustehende Arbeitslosengeld II bedarfsgerecht zu ermitteln. Dem selbstständig tätigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen steht lediglich der tatsächliche Gewinn (Differenz aus Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben) aus seiner Erwerbstätigkeit zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung.

Die bis zum 31. Dezember 2007 am Einkommensteuerrecht orientierte Gewinnermittlung war problematisch, weil es für das Einkommensteuerrecht nur auf die Feststellung der steuerlichen Leistungsfähigkeit ankommt. Diese liegt deutlich oberhalb des sozio-kulturellen Existenzminimums und muss daher nicht den tatsächlichen Gewinn abbilden. Im Einkommensteuerrecht werden daher auch fiktive Einnahmen und Ausgaben, d. h. solche, die entweder noch gar nicht oder nicht in der Höhe getätigt worden sind, berücksichtigt.

Jeder Abzug von den tatsächlichen Einnahmen führt dazu, dass sich die im Bewilligungszeitraum zu zahlenden Arbeitslosengeld II-Leistungen um eben diesen Betrag erhöhen. Deshalb wurde gleichzeitig mit der Abkehr von der steuerlichen Gewinnermittlung geregelt, dass nur tatsächliche, notwendige Ausgaben abzusetzen sind (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V).

Notwendig ist dabei eine Ausgabe, die üblicherweise im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit anfällt und die auch ohne Leistungsbezug nach dem SGB II bei wirtschaftlichem Ausgabeverhalten getätigt worden wäre. Im Hinblick auf die Hilfebedürftigkeit des selbstständig Erwerbstätigen ist darauf ein besonderes Augenmerk zu legen.

Damit können im Bewilligungszeitraum zwar keine steuerlichen Verlustvorträge oder Abschreibungen vom Einkommen abgesetzt werden, dafür aber tatsächlich zu zahlende, betrieblich notwendige Kredittilgungen und –zinsen. Insbesondere wird dadurch ausgeschlossen, dass während des Bezuges von Arbeitslosengeld II Beträge für Investitionsvorhaben – aus öffentlichen Mitteln finanziert – angespart werden, weil der Selbstständige entsprechende Investitionsabsichten glaubhaft gemacht hat. Mit der seit dem 1. Januar 2009 gültigen Förderung von Selbstständigkeit nach § 16c SGB II können solche Vorhaben in einem begrenzten Umfang künftig bezuschusst werden, sofern sie für die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit notwendig und angemessen sind.

Zudem ist die Tatsache, dass nur notwendige Ausgaben abgesetzt werden dürfen, bereits in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II vorgesehen. Der Abzug nicht notwendiger Ausgaben über die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung würde damit gegen höherrangiges Recht verstoßen.


Frage 6. Welche Auswirkungen hat nach den bisherigen Erfahrungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für das Jahr 2008 die Alg II-Verordnung in Bezug auf die Inanspruchnahme von SGB II-Leistungen und die Leistungshöhe?

Antwort der Bundesregierung

In ihrer Vorbemerkung gehen die Fragesteller offensichtlich davon aus, dass die Inanspruchnahme von SGB II-Leistungen und die Leistungshöhe wegen der Änderungen in der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung seit 1. Januar 2008 gesunken sind. Die Ausführungen in der Antwort zu Frage 4 zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist.

Die festzustellende Erhöhung des Ausgabevolumens ist aber nicht zwangsläufig auf die geänderte Alg II-V zurückzuführen. Eine Erhöhung kann sich beispielsweise auch daraus ergeben, dass Neuzugänge an selbstständig tätigen Hilfebedürftigen in der Regel über ein niedrigeres Einkommensniveau verfügen.


Frage 7. Wie viele Alg II-Beziehende haben aufgrund der Neuberechnung ihrer Einnahmen als Selbstständige ihren Anspruch auf Alg II verloren, und wie viele Personen haben infolge der Verordnung ihre selbstständige Erwerbstätigkeit aufgegeben?

Antwort der Bundesregierung

Zu dieser Frage liegen keine Zahlen vor.


Frage 8. Wie hoch ist der zusätzliche administrative Aufwand einzuschätzen, der mit der Neukalkulation der Einkommen bei Selbstständigen im SGB II

a) bei den betroffenen Leistungsberichtigten und

b) bei den Verwaltungsstellen

entsteht?

Antwort der Bundesregierung

a) Der zusätzliche Aufwand bei den Selbstständigen wird als gering eingeschätzt. Bereits aus steuerlichen Gründen müssen Selbstständige Bilanzen erstellen bzw. Geschäftsergebnisse in einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung darlegen (Buchführung). Diese Buchführung kann als Grundlage zum Ausfüllen der Anlage EKS zum Antrag auf SGB II-Leistungen (Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft im Bewilligungszeitraum) dienen. Grundsicherungsspezifische Abweichungen, insbesondere die Nichtberücksichtigung von Abschreibungen, sind dabei zu beachten.

Zudem muss sich ein Unternehmer, insbesondere ein hilfebedürftiger Unternehmer, stets selbst einen Überblick über die tatsächliche Einnahmen- und Ausgabensituation verschaffen. Eine Ausgabe kann nur dann getätigt werden, wenn entsprechende Mittel für diese Ausgabe vorhanden sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass ein wirtschaftlich handelnder Unternehmer neben der fiktiven steuerlichen Einnahmen- und Ausgabenbuchung – die häufig extern durchgeführt wird – auch immer über seine tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben Buch führt. Falls dies nicht der Fall sein sollte, ist es zumutbar, von dem selbstständig erwerbstätigen Hilfebedürftigen eine entsprechende Berechnung zu verlangen, wenn er eine steuerfinanzierte Fürsorgeleistung begehrt.

b) Der Verwaltungsaufwand in den Arbeitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung ist wegen der geänderten Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit gestiegen. Selbstständige Leistungsempfänger erfahren aber ohnehin eine intensive Betreuung durch die Grundsicherungsstellen. Ziel ist es, den Selbstständigen zu befähigen, aus seiner Tätigkeit den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Zur Betreuung gehört auch die Beratung hinsichtlich notwendiger Ausgaben.


Frage 9. Wie bewertet die Bundesregierung mit heutigem Kenntnisstand die Aussage der Bundesagentur für Arbeit (zitiert in Bundestagsdrucksache 16/7838), dass der administrative Aufwand mehr Kosten im Vollzug als erwartete Einsparungen produzieren werde?

Antwort der Bundesregierung

Im Hinblick auf die tatsächlich höheren Aufwendungen (siehe Antwort zu Frage 6) ist die Aussage überholt.


Frage 10. Wie hoch ist die Zahl der

a) Widersprüche und

b) Klagen

aufgrund von angefochtenen Kalkulationen hinsichtlich des Einkommens?

Antwort der Bundesregierung

Statistisch gesondert erfasst werden nur Widersprüche, die sich allgemein gegen die Einkommensanrechnung richten; eine weitere Differenzierung nach Einkommensarten erfolgt nicht.


Frage 11. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage, dass die sozialrechtliche Bewertung der Einnahmen von Selbstständigen rechtswidrig ist, und welche diesbezüglichen Urteile mit welchem Inhalt sind der Bundesregierung bekannt?

Antwort der Bundesregierung

Die Bundesregierung hält die sozialrechtliche Bewertung der Einnahmen von Selbstständigen nicht nur für zulässig, sondern für erforderlich (siehe Antwort zu Frage 5).

Relevante obergerichtliche Urteile sind der Bundesregierung nicht bekannt.


Frage 12. Mit welcher Begründung anerkannte die Bundesregierung bei Selbstständigen im SGB II-Bezug lediglich eine Kilometergeldpauschale in Höhe von 0,10 Euro gegenüber 0,30 Euro im Steuerrecht?

Welche Regelung und Praxis gilt derzeit?

Antwort der Bundesregierung

Der Fragestellung liegt die unzutreffende Annahme zugrunde, dass nach § 3 Abs. 2 Satz 2 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Alg II-V 2008) betrieblich veranlasste Wegeaufwendungen nur pauschal mit 10 Cent pro gefahrenem Kilometer berücksichtigt werden konnten. Richtig ist, dass bei der Gewinnermittlung Selbstständiger die tatsächlichen Betriebsausgaben von den tatsächlichen Einnahmen abgezogen werden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V).

Bei Nutzung eines vorhandenen Privat-PKW auch für betriebliche Zwecke war in § 3 Abs. 2 Satz 2 Alg II-V 2008 geregelt, dass hierfür pauschal 10 Cent für jeden betrieblich gefahrenen Kilometer abgesetzt werden. Dabei verblieb es aber bei dem Grundsatz, dass grundsätzlich die tatsächlichen betrieblichen Ausgaben absetzbar sind. Die Pauschale galt also nicht, wenn Hilfebedürftige die genaue Höhe der ausschließlich betrieblich veranlassten Wegeaufwendungen nachwiesen. In diesem Fall wurden die tatsächlichen Aufwendungen abgesetzt. Die Pauschalierung erfolgte im Hinblick darauf, dass diese tatsächlichen Ausgaben nur schwer zu ermitteln sind.

Die Pauschale in Höhe von 10 Cent soll die unmittelbar durch den jeweiligen Weg entstandenen Aufwendungen (Treibstoff) abgelten. Die mittelbaren Aufwendungen (z. B. Anschaffungskosten, verbrauchsunabhängige Betriebskosten, Steuern) haben Hilfebedürftige bei einem Privat-Kraftfahrzeug auf Grund ihrer privaten Lebensführung zu tragen; sie sind nicht Bestandteil der betrieblichen Kosten und damit auch nicht von den Betriebseinnahmen absetzbar. Die Kosten für die Haftpflichtversicherung des Fahrzeuges sind in diesem Zusammenhang aber über die allgemeine Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II dennoch vom Einkommen abzusetzen.

Wenn das Fahrzeug dagegen überwiegend betrieblich genutzt wird, sind zunächst alle Kosten für das Kraftfahrzeug als Betriebsausgaben vom Einkommen abzusetzen; für gelegentliche private Fahrten sind die Ausgaben dann um 10 Cent je gefahrenen Kilometer für die unmittelbaren Aufwendungen (Treibstoff) zu mindern.

Bei einem Vergleich der steuerrechtlichen mit den Regelungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist zudem zu berücksichtigen, dass ein steuerlicher Abzug zu einem wirtschaftlichen Vorteil nur in Höhe der Steuerersparnis führt, wohingegen ein Abzug bei der Einkommensberücksichtigung nach dem SGB II zu einer Leistungserhöhung um den abgesetzten Betrag führt. Ein steuerlicher Ausgabenabzug von 30 Cent für einen gefahrenen Kilometer führt bei einem Steuersatz von 20 Prozent zu einer Steuerermäßigung von 6 Cent – eine Minderung des zu berücksichtigenden Einkommens um 10 Cent demgegenüber zu einem um 10 Cent höheren Arbeitslosengeld II.


Frage 13. Welche Gründe haben die Bundesregierung zu der begrenzten Novellierung durch die 1. Änderung der Alg II-Verordnung bewogen?

Antwort der Bundesregierung

In der Praxis war umstritten, wie die bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges entstehenden Ausgaben zu verrechnen sind, wenn ein Kraftfahrzeug zum Teil privat und zum Teil betrieblich genutzt wird. Die Zuordnung der Ausgaben sollte daher klargestellt werden und zu einer einheitlichen Rechtsanwendung führen.

Bei ausschließlich betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen sind nach § 3 Abs. 7 Alg II-V 2009 die tatsächlichen notwendigen Kosten für den Betriebs-PKW von den Einnahmen abzusetzen.

Wird das Fahrzeug sowohl betrieblich als auch privat genutzt, sind die vollständigen tatsächlichen Ausgaben zunächst dem Bereich zuzuschlagen, in dem das Fahrzeug überwiegend genutzt wird. Für den jeweils anderen Bereich sind pauschal 10 Cent für jeden gefahrenen Kilometer entweder von den Betriebsausgaben für private Fahrten abzusetzen oder als Betriebsausgaben für betriebliche Fahrten mit dem Privat-PKW anzuerkennen.


Frage 14. Welche Gründe und dokumentierten Fakten haben die Bundesregierung zu der Ergänzung der Zumutbarkeitsregelung im SGB II (§ 10 Absatz 2) bewogen, wonach nunmehr eine bereits bestehende Erwerbstätigkeit keine Unzumutbarkeit eines Arbeitsangebots begründet?

Antwort der Bundesregierung

Bei der Änderung des § 10 Abs. 2 SGB II durch Artikel 2 Ziffer 4 des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente handelt es sich um eine Klarstellung.

Zu den Gründen wird auf die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/10810) verwiesen.


Frage 15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Verpflichtung zur Beendigung einer bereits bestehenden Erwerbstätigkeit zugunsten einer anderen Tätigkeit ein erheblicher Eingriff in den Artikel 12 des Grundgesetzes (GG) (Berufsfreiheit) darstellt, und wie rechtfertigt die Bundesregierung diesen Eingriff?

Antwort der Bundesregierung

Ein Eingriff in die Berufsfreiheit im Sinne des Artikels 12 GG liegt nicht vor. Insofern bedarf es auch keiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

Die Regelung des § 10 Abs. 2 Nr. 5 SGB II beinhaltet keine Verpflichtung des oder der Hilfesuchenden, seine oder ihre Erwerbstätigkeit aufzugeben. Die Vorschrift regelt auch nicht, wie eine berufliche Tätigkeit auszuüben ist. Daher erfolgt durch die Vorschrift auch kein unmittelbarer Eingriff zu Lasten der Leistungsbezieher bzw. ihrer beruflichen Tätigkeit. Vielmehr ergibt sich die Belastung mittelbar erst dadurch, dass kein wichtiger Grund vorliegt, wenn ein zumutbares Arbeitsangebot durch den Hilfesuchenden abgelehnt wird.

Mittelbare bzw. tatsächliche Auswirkungen können den Schutzbereich des Artikels 12 Abs. 1 des Grundgesetzes – die Berufsausübungsfreiheit – beeinträchtigen, wenn sie eine objektive berufsregelnde Tendenz besitzen. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz hat das Bundesverfassungsgericht angenommen, wenn Regelungen infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung dieses Berufes stehen und daher eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen (vgl. BVerfGE 80, 209, 224). Ein enger Zusammenhang mit einer Berufsausübung ist vorliegend nicht gegeben.


Quelle: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Deutscher Bundestag, Drucksache 16/12021


Sie können die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage mit Tabellen über „Personen und Leistungen, wenn Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt wird“ und „Bedarfsgemeinschaften und Leistungen, wenn Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt wird“ hier als pdf-Datei herunterladen.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009