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.info netzwerk-weiterbildung 04/11

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.info netzwerk-weiterbildung 04/11
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Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

Deutschland sollte zur Bildungsrepublik aufsteigen. "Unser Ziel ist es, die Beteiligung der Bevoelkerung an Weiterbildung bis zum Jahr 2015 von 41 auf 50 Prozent zu steigern". Das erklaerte der Parlamentarische Staatssekretaer im Bundesministerium fuer Bildung und Forschung (BMBF), Andreas Storm, im September 2007. Im Dezember 2010 legte ausgerechnet das Deutsche Institut fuer Erwachsenenbildung nach. "Auf Basis der verfuegbaren, repraesentativen Daten wurde vom DIE eine Prognose zur Weiterbildungsbeteiligung erstellt. Legt man die Werte von zehn Erhebungswellen ab 1979 zugrunde, laesst sich eine Regressionsgerade errechnen, deren Ausrichtung darauf hindeutet, dass die 50-Prozent-Marke bereits im Jahr 2010 erreicht werden koennte." Diese Prognose hatten wir seinerzeit in unserem Newsletter vom Oktober 2010 kritisiert, da sie Zahlen aus der Vergangenheit einfach "schoengerechnet" hat.

Die jetzt vorliegenden Zahlen sind schlecht. Waehrend die Beteiligung an Weiterbildungsaktivitaeten im Westen der Republik stagnierte (bei 43 %), ging sie im Osten von 47 % auf 41 % zurueck. Im gesamten Bundesgebiet pendelt sie seit 2000 zwischen 41 % (2003) und 44 % (2007). 2010 lag die Quote bei 42 %. Das Ziel rueckt in weite Ferne. Was tun? Ein klassischer PR-Tipp lautet. In jeder noch so schlechten Untersuchung findet sich eine Zahl, die positiv erscheint. Verbreite sie in deinen Meldungen, und schon warst du erfolgreich.

Mit der Meldung: "Besonders deutlich ist das Wachstum der Weiterbildungsteilnahme bei den 60- bis 64-Jaehrigen: Es stieg innerhalb von drei Jahren von 18 Prozent auf 27 Prozent", wurden die Ergebnisse der Erhebung als Erfolg verkauft. Genauso gut haette die Meldung mit "Weiterbildungsteilnahme der 19 – 24 Jaehrigen bricht dramatisch ein. Sie viel von 49 Prozent auf 40 Prozent" ueberschrieben werden koennen. Beide Informationen finden sich in der aktuellen Erhebung. So wechseln sich positive und negative Befunde ab. Was bleibt, ist der negative Trend.

Ein Grund koennte sein, dass die Foerderung der beruflichen Weiterbildung durch die Bundesagentur fuer Arbeit (BA) drastisch eingeschraenkt wird. Die Zahl der Neueintritte im ersten Halbjahr 2009 betrug 299.199. Im ersten Halbjahr 2011 waren es 151.891, oder gut 49 % weniger. Die BA reduzierte die Ausgaben von 508 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2011 auf 236 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2011, ein Rueckgang von gut 53 %.

Das Bundesministerium fuer Arbeit erklaert dazu in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken: "Die Ausgaben fuer die berufliche Weiterbildungsfoerderung im Bereich des Zweiten und Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB III) sind von rd. 2 Mrd. Euro im Jahr 2005 auf rd. 3,3 Mrd. Euro im Jahr 2010 gestiegen. Diese starke Expansion ist zum Teil krisenbedingt, d. h. auf die erhoehte Arbeitslosigkeit und die befristete Ausweitung von Foerdermoeglichkeiten etwa fuer beschaeftigte Arbeitnehmer in der Wirtschaftskrise zurueckzufuehren. Fuer dieses Jahr und die kommenden Jahre ist aufgrund des Rueckgangs der Arbeitslosigkeit auch mit einem Rueckgang der Teilnehmerzahlen an beruflichen Weiterbildungsmassnahmen zu rechnen. Die Haushaltsansaetze fuer das Jahr 2011 antizipieren diese Entwicklung am Arbeitsmarkt."

Weniger Erwerbslose = weniger Weiterbildung = weniger Geld fuer die Arbeitsmarktpolitik, so die simple Gleichung der Bundesregierung. Im Bereich des SGB II sinken die Erwerbslosenzahlen nicht. Trotzdem streicht die Bundesregierung Milliarden fuer die Arbeitsmarktpolitik. Auch hier wird die Foerderung der beruflichen Weiterbildung drastisch eingeschraenkt. Der Schwindel ist offensichtlich. Die berufliche Weiterbildung wird nach Kassenlage, nicht nach dem Bedarf der Erwerbslosen gefoerdert. Mit dieser Politik wird Deutschland auf keinen Fall zur Bildungsrepublik austeigen.


Weitere Inhalte:

1. Ruecknahme der Sparbeschluesse - Umkehr bei Instrumentenreform
2. Die Weiterbildungsbranche - ein Beispiel fuer die Etablierung prekaerer Beschaeftigungsformen
3. Bund, Wirtschaft und Gewerkschaften unterzeichnen eine gemeinsame Erklaerung zur Sicherung der Fachkraeftebasis in Deutschland
4. Termine
5. Impressum
6. .info Netzwerk-Weiterbildung abonnieren und kuendigen


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1. Ruecknahme der Sparbeschluesse - Umkehr bei Instrumentenreform
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In einem arbeitsmarktpolitischen Aufruf fordern ueber 30 Fachleute der deutschen Arbeitsmarkt- und
Sozialpolitik eine Kurskorrektur der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik. Bis Anfang September kann der Aufruf auf der Homepage des Paritaetischen unterstuetzt werden. Sie wollen ein breites gesellschaftliches Buendnis gegen den Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik schmieden.

Die Kuerzungen in der Arbeitsmarktpolitik fuehrten zu einer Zweiteilung des Arbeitsmarktes. Hilfsangebote fuer Langzeitarbeitslose wuerden erheblich eingeschraenkt. Gerade die, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind; schlecht ausgebildete und ohnehin benachteiligte Jugendliche, aeltere Arbeitslose, Menschen mit Behinderung und chronisch Erkrankte drohten zu Opfer dieser Entwicklung zu werden.

"Die Unterzeichner fordern von der Bundesregierung die Ruecknahme der Sparbeschluesse in der Arbeitsmarktpolitik, den Ausbau sozialversicherungspflichtiger Beschaeftigungsangebote fuer Langzeitarbeitslose sowie die rechtliche und finanzielle Absicherung von Beschaeftigungsunternehmen und Fort- und Weiterbildungstraegern", so der Paritaetische in seiner Presseerklaerung vom 13. Juli 2011.

Auf der Seite Foerderung der beruflichen Weiterbildung finden Sie den Aufruf des Paritaetischen. Dort gibt es ebenfalls einen Link zur Homepage des Paritaetischen, auf der Sie den Aufruf unterschreiben koennen.


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2. Die Weiterbildungsbranche - ein Beispiel fuer die Etablierung prekaerer Beschaeftigungsformen?
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Im Weiterbildungsmarkt vollziehen sich seit Jahren erhebliche Umbrueche. Die Mittel von Seiten der Oeffentlichen Hand stagnieren oder gehen leicht zurueck. Bei den Volkshochschulen steigen Teilnehmergebuehren und Drittmitteleinnahmen deutlich an.

Noch dramatischer ist der staatliche Rueckzug bei der Foerderung der Weiterbildung von Arbeitslosen (nach SGB III). In Folge der Hartz-Reformen wurde die Weiterbildungsfoerderung stark zurueckgefahren. Waehrend noch im Jahr 1999 7,8 Mrd. Euro in die Qualifizierung Arbeitsloser investiert wurde, reduzierte sich das Volumen bis zum Jahr 2008 um rund zwei Drittel auf 2,7 Mrd. Euro (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010).

Welche Auswirkungen die Kuerzung der staatlichen Mittel fuer die Weiterbildung auf die Beschaeftigten in der Weiterbildung haben, untersuchen Rolf Dobischat / Anna Rosendahl / Marcel Fischell in der neuen Ausgabe der online-Zeitschrift Denk-Doch-Mal.

Den vollstaendigen Artikel finden Sie auf der Seite Foerderung der beruflichen Weiterbildung.


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3. Bund, Wirtschaft und Gewerkschaften unterzeichnen eine gemeinsame Erklaerung zur Sicherung der Fachkraeftebasis in Deutschland
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Das Bundeskabinett hat am 22. Juni 2011 ein Konzept zur Fachkraeftesicherung beschlossen. In einer gemeinsamen Presserklaerung von Bund, Wirtschaft und Gewerkschaften heisst es, dass das Potential von Erwerbslosen zur besser genutzt werden soll. Woertlich heisst es in der Erklaerung:

"Eine gezielte Weiterbildung und Umschulung, die an den Beduerfnissen der Einzelnen wie den Bedarfen des Arbeitsmarktes orientiert sind, die Reintegration Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt und die Foerderung der beruflichen Mobilitaet sind weitere wichtige Ansatzpunkte. Dazu gehoert eine angemessene finanzielle Ausstattung der Arbeitsfoerderung."

Zur gleichen Zeit kuerzt die Bundesregierung massiv die Mittel der Arbeitsmarktpolitik. Die Teilnehmerzahlen an der beruflichen Weiterbildung im Bereich des SGB II und II sind deutlich ruecklaeufig. Die Bundesregierung hat diese Entwicklung mit einem konjunkturbedingt niedrigen Bedarf erklaert. Irgendwann muss sie sich mal entscheiden. Entweder werden die Mittel fuer die Arbeitsmarktpolitik nach Konjunkturlage verteilt, dann gibt es halt weniger fuer die berufliche Weiterbildung. Oder die Mittel orientieren sich am Bedarf fuer berufliche Weiterbildungsmassnahmen, dann sind die Mittelkuerzungen sofort zurueck zu nehmen.

Der Zick-Zack Kurs der Bundesregierung, den wir im Bereich der Finanzpolitik und bei der Kernenergie erlebt haben, wird auch im Bereich der beruflichen Weiterbildung sichtbar.

Auf der Seite Foerderung der beruflichen Weiterbildung finden Sie den vollstaendigen Aufruf. Dort koennen Sie eine aktuelle Broschuere der Bundesregierung zum Fachkraeftemangel als pdf-Datei herunterladen.


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4. Termine
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"Gute Arbeit in der Aus- und Weiterbildung unter den aktuellen Bedingungen der Arbeitsmarktpolitik"

Die diesjaehrige Fachtagung des Bereichs Weiterbildung im Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung beschaeftigt sich schwerpunktmaessig mit der Frage, wie unter den gegenwaertigen Bedingungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik noch gute Arbeit fuer die dort Beschaeftigten moeglich ist.

Weitere Informationen zum Programmablauf, den Einladungsflyer und ein Anmeldeformular finden Sie auf der Seite Termine des Bundesfachbereichs.


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5. Impressum
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Herausgeber
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Landesbezirk Niedersachsen Bremen
Brigitte Schuett
Landesfachbereichsleiterin Bildung Wissenschaft Forschung
Goseriede 10
30159 Hannover

Redaktion: Peter Schulz-Oberschelp
mail to: mailto:mail@netzwerk-weiterbildung.info


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6. .info netzwerk-weiterbildung abonnieren und kuendigen
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Das .info netzwerk-weiterbildung ist ein kostenloser Service fuer die Beschaeftigten in der Fort- und Weiterbildungsbranche. Wenn sie in den Verteiler aufgenommen werden wollen oder wenn sie in Zukunft dieses Info nicht mehr zugeschickt bekommen wollen gehen sie bitte auf die Internet-Seite oder schicken sie eine e-mail an mailto:info@netzwerk-weiterbildung.info

Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Lebenslanges Lernen
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 15.08.2011