Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Argumente für eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik

Es ist unbestritten: Die öffentlichen Haushalte müssen sparen.
Im Kürzungseifer wird jedoch gelegentlich auch dort gespart, wo der verengte Blick auf Zahlen sinnlos, ja sogar kontraproduktiv ist. Investitionen radikal zusammen zu streichen, kann dazu führen, dass der Staat auf künftige Einnahmen verzichtet, zumal wenn die Investitionen unbestritten rentierlich sind.

Unstreitig rentabel sind in unserer Volkswirtschaft die Investitionen in Bildung. Der öffentliche Fokus richtet sich deshalb nicht von ungefähr auf Schulen und Universitäten. Deutschland soll - so die Bundeskanzlerin - eine „Bildungsrepublik“ werden. Umso unverständlicher ist es, wenn jetzt ausgerechnet im Bereich der beruflichen Umschulung und Fortbildung massiv der Rotstift angesetzt wird - mit ebenso massiven negativen Folgen für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und öffentliche Haushalte.

Dort, wo Mängel in der Bildungsvermittlung sichtbar werden, können Volkswirtschaftler den volkswirtschaftlichen Schaden nachvollziehbar errechnen. Durch den Mangel an Fachkräften gehen der deutschen Wirtschaft schon jetzt jährlich rund 29 Milliarden Euro verloren, schreibt der Spiegel (März 2009). Quer durch alle Branchen ist dieser Mangel zu beobachten. 50 000 Ingenieure könnten zusätzlich beschäftigt werden, wenn sie denn ausgebildet wären. In allen Metallberufen fehlen Meister und Gesellen, am Bau suchen die Firmen händeringend nach Fachkräften, für die Pflege älterer Menschen gibt es zehntausende Stellen aber weit und breit kein Personal, im boomenden IT-Bereich ist es nicht besser und der ist nur die Spitze des Eisbergs.

Der inzwischen flächendeckende Verzicht auf die Förderung von Umschulungen ist spürbar. So sank die Zahl der Neueintritte in Maßnahmen der beruflichen Weiterbil-dung mit Abschluss im letzten Jahrzehnt von knapp 96.000 auf 52.000. Diese Zahl hat damit fast um die Hälfte abgenommen. In jüngster Zeit, so amtliche Zahlen aus der Bundesagentur für Arbeit (BA), setzt sich diese Entwicklung fort. Die Ausgaben für die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen der BA sanken von Juli 2010 bis Juli 2011 um 38 Prozent, die Ausgaben für Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung lagen sogar um 48 Prozent niedriger als 2010. Diese Ent-wicklung ist nicht mit dem Rückgang der registrierten Arbeitslosen zu erklären, und sie steht im Widerspruch zu dem zunehmend beklagten Mangel an Fachkräften. Stattdessen überlegt die Politik, ausländische Fachkräfte, z.B. aus Spanien oder Osteuropa, in die Bundesrepublik zu importieren. Das eigene Arbeitskräfte- und Fachkräftepotential gerät immer mehr aus dem Blickfeld.

Wohin es führt, wenn einer ganzen Generation durch staatliche Untätigkeit die berufliche Zukunftsaussicht verbaut wird, ist gegenwärtig auf den von jungen Arbeitslosen belagerten öffentlichen Plätzen in vielen Städten Europas zu beobachten.

Die aktive Arbeitsmarktpolitik der Bundesagentur für Arbeit hat in der Vergangenheit im Bereich der Aus- und Fortbildung viel geleistet. Das hat viel gekostet. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat in zahlreichen Studien belegt, wie nützlich dieses Geld für Staat und Gesellschaft ausgegeben wurde. Aufwand und Ertrag standen und stehen in einem positiven Verhältnis. Fortbildung zahlt sich aus.

Gleichwohl: Die Ausgaben der BA für den Aus- und Fortbildungstitel sind in diesem Jahr dramatisch gesunken. Die Ausgabe von Bildungsgutscheinen an fortbildungswillige Arbeitslose ist auf einem historischen Tiefstand. Für die betroffenen Menschen ist der Kampf um einen solchen Gutschein zur Lotterie geworden, seit es keinen Rechtsanspruch mehr für Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung gibt. Die Mitarbeiter in den Jobzentren legen im vorauseilenden Sparwillen ihren Ermessensspielraum immer restriktiver aus. Im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit 2011 wurde der Eingliederungstitel um fast 900 Millionen Euro auf 3,4 Milliarden Euro gekürzt. Damit stehen für Eingliederungsmittel in den Arbeitsagenturen 20 Prozent weniger zur Verfügung. Das Einsparergebnis liegt in diesem Jahr aber voraussichtlich bei 40 Prozent (Quelle: ver.di Hamburg).

Die folgenden Zahlen veranschaulichen am Beispiel des Jobcenters Hamburg die Situation:
  • Budget für alle Ausgaben 2010: 187 Millionen Euro

  • Budget für alle Ausgaben 2011: 134,2 Millionen Euro

  • Ausgegebene Bildungsgutscheine 2010: 7.100

  • Auszugebende Bildungsgutscheine 2011: voraussichtlich 5.000

  • Etat für Bildungsgutscheine 2010: 33 Millionen Euro

  • Etat für Bildungsgutscheine 2011: 23 Millionen Euro

Das Ausmaß der geförderten Weiterbildung ist seit Einführung der Bildungsgutscheine 2003 ohnehin massiv zurückgegangen, die Angebotsvielfalt stark eingeschränkt. Bestimmte Zielgruppen kommen seither nicht mehr oder nur noch sehr viel schwerer in den Genuss geförderter Weiterbildung. Dies betrifft insbesondere Berufsrückkehrerinnen, ältere Arbeitslose sowie Personen mit niedriger oder fehlender beruflicher Qualifikation. Vor allem bildungsbereite und bildungsfähige Frauen fallen durch dieses Raster, und Jugendliche ohne Schul- oder Berufsabschluss verlieren auch ihre letzte Chance auf eine berufliche und soziale Integration.

Insbesondere Hartz IV-Empfänger müssen ein langes Prozedere durchlaufen, um einen Bildungsgutschein zu bekommen. Sie müssen Praktika zur Eignungsfeststellung absolvieren oder sogar psychische Gutachten vorlegen. Wenn sie dann endlich die Zusagen haben, werden die Kurse oft mangels Teilnehmer abgesagt.

Grundsätzlich ist die Orientierung der Gutscheinausgabe an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes sinnvoll. Das trägt bei zu einer deutlichen Verbesserung der Effizienz und Qualität auf dem Bildungsmarkt. Jedoch ist festzustellen, dass inzwischen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Weil so wenig Bildungsgutscheine wie nie ausgegeben werden, kommen selbst geplante, zertifizierte und von den Jobcentern gewünschte Fortbildungen oft nicht zustande. Bildungsträgern gelingt es mitunter nur zufällig, für anspruchsvollere Maßnahmen die wirtschaftlich notwendige Mindestzahl an Teilnehmern zu bündeln.

In der Folge kommt es gegenwärtig zu einer dramatischen Krise auf dem Bildungs-markt. Zahlreiche Bildungsträger geben auf oder melden Insolvenz an. Jüngstes Beispiel (August 2011) ist einer der großen privaten Bildungsträger Deutschlands, der im Bildungsbereich bis zu 50% der 1500 Stellen streichen will.

Fazit: Wer den Fachkräftemangel als Problem erkennt, darf die berufliche Bildung nicht beschneiden. Und wenn die Forderung nach der „Bildungsrepublik Deutschland“ nicht eine leere Floskel bleiben soll, brauchen wir endlich eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik!


Quelle: Pressemeldung des Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e. V., BBB vom 30. August 2011

Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.08.2011